Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
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Sühne- und Erinnerungskreuze im Donnersbergkreis
von Berthold Schnabel
Unter den nicht gerade zahlreichen Flurdenkmalen des Donnersbergkreises bilden die Sühne- und Erinnerungskreuze wegen
ihres Alters und ihrer Geschichte die bemerkenswerteste Gruppe.
Aus dem früher zweifellos weit größeren Bestand haben sich heute noch neun steinerne Male von unterschiedlicher Größe und Gestalt aus der
Zeit zwischen 1300 und 1932 erhalten und zwar der 'Mordstein' bei Dörnbach aus dem Jahre 1522, ein Steinkreuz
nördlich von Gauersheim an der B 40 (2.Hälfte des 15.Jahrhunderts), ein Kreuz am Schneeberger Hof, Gemeinde
Gerbach, von 1908, das 'Königskreuz' (nach 1309) und ein Steinkreuz am Ruhweg (1932/33)
in Göllheim, das 'Baudweiler Kreuz' bei Sembach an der B 48 (1962 errichtet anstelle eines zerstörten
Kreuzes aus der Zeit um 1500), das 'Kesslerkreuz' am Fußweg von Stauf zum Rosenthaler Hof (1.Hälfte des
16.Jahrhunderts), das 'Combekreuz' (1.Hälfte des 16.Jahrhunderts) und
der 'Metzgerstein' (um 1749) im Staatswald am Schorlenberg, zur Zeit in der Autobahnmeisterei
Wattenheim sichergestellt.
Ergänzt wird diese Zahl durch drei Eisenkreuze, welche zur Erinnerung an vier Verkehrsopfer errichtet wurden: ein Kreuz an der B 40 gegenüber
der Einfahrt zum Bahnhof Alsenbrück-Langmeil aus dem Jahre 1973, zwei Kreuze nördlich von Ramsen an der Straße nach Göllheim, von 1980.
Die neun steinernen und drei eisernen Male sollen in den nächsten Bänden des Donnersbergjahrbuches vorgestellt werden, wobei der
Schwerpunkt auf den Steinkreuzen liegt.
1. Was sind Steinkreuze?
Der Begriff 'Steinkreuz' läßt sich nicht eindeutig bestimmen, weshalb die Abgrenzung zu anderen Flurkreuzen (Andachts- und Wetterkreuzen)
nicht immer möglich ist. Zwar stellen die Steinkreuze innerhalb der Flurdenkmale eine eigene Gruppe dar, welche sich vom Bildstock in der Form und vom Andachtskreuz
meist in Größe, Aufbau und ikonographischer Gestaltung (Bild des Gekreuzigten, Darstellung der Wundmale oder der Leidenswerkzeuge) unterscheiden, doch sind sie
an keine festgelegte Funktion gebunden. Wenn auch das Steinkreuz als Sühne-, Erinnerungs- oder Grenzmal vorherrscht, so können doch auch Bildstöcke diese Aufgabe
übernehmen: Der 1432 in Würzburg-Heidingfeld errichtete Bildstock ist ein Sühnemal, der Bildstock aus dem Jahre 1725 bei Hagenbach, Kreis Germersheim erinnert an
einen Unfall, und der 'Dienheimer Stock' aus dem 14.Jahrhundert kennzeichnet die Grenze der Stadt Oppenheim. Andererseits finden sich an Unfallkreuzen die an
Andachtsmalen weit verbreiteteten Nischen (Steinkreuz bei Eberbach am Neckar aus dem Jahre 1416, das an
einen in der Itter ertrunkenen Fischer erinnert), oder sie entsprechen in ihrem Aussehen vollkommen den Andachtskreuzen, wie das 1908 beim Schneeberger Hof,
Gemeinde Gerbach errichtete Mal. Schließlich gleichen nachmittelalterliche Steinkreuze in Aufbau und Aussehen oft Grabkreuzen oder Grabdenkmalen (z.B. der
'Metzgerstein' am Schorlenberg, errichtet um 1740).
Deshalb faßt die vorliegende Arbeit alle Male unter dem Begriff 'Steinkreuz' zusammen, die vom Typus und der Funktion her nicht eindeutig als
Andachtsmale anzusprechen sind. Die drei Eisenkreuze werden ebenfalls berücksichtigt, da sie zur Erinnerung an Unfälle errichtet wurden und sich somit nur im Material,
nicht aber in der Bedeutung, von Steinkreuzen unterscheiden.
2. Die Bedeutung der Steinkreuze des Donnersbergkreises
2.1. Steinkreuze als Erinnerungsmale
Dem Setzen von Erinnerungskreuzen liegt die Überzeugung von der Wirksamkeit guter Werke, vornehmlich des Gebetes, zugrunde. Dies drückt
die Inschrift eines Males aus, welches 1449 bei Berthke, Kreis Stralsund, errichtet wurde: "Alle
de her henne gan ik bidde se in klenasta unde bidde got kortetid make deselbe pyne gujd" (= Alle die hier gehen [vorübergehen], ich bitte sie ein Kleines stehen [zu
bleiben] und bitte Gott, kurze Zeit mache die Seele von Pein frei)1). Man erwartete also, daß die Menschen die an den Kreuzen vorübergingen, durch diese angehalten
würden, für das Seelenheil des hier plötzlich Verstorbenen zu beten. Damit konnte dem, der ohne Vorbereitung auf einen guten Tod aus dem Leben scheiden mußte,
durch das steinerne, gleichsam für die Ewigkeit geschaffene Mal, langfristig wirksame Hilfe zuteil werden.
Über die gemeinsame religiöse Wurzel hinaus lassen sich innerhalb der Erinnerungskreuze Sühnemal und Titulus besonders herausstellen.
Das Sühnekreuz ist ein Rechtsmal, das derjenige, der einen anderen im Affekt getötet hatte, aufgrund eines mit den Angehörigen des Opfers geschlossenen Vertrages
setzen mußte, der Titulus ein Mal, das man zum Gedächtnis an einen im Kampf Getöteten errichtete.
2.1.1 Das Sühnekreuz
In der Steinkreuzforschung ist man heute weitgehend der Meinung, daß der größere Teil der während des Mittelalters errichteten Steinkreuze
Sühnemale sind. "Das Wort Sühne kommt aus dem mittelhochdeutschen 'süene', althochdeutsch 'suona' und bedeutet soviel wie Urteil, Gericht, Vertrag mit dem Ziel
einer gegenseitigen Wiederversöhnung"2). Denn von der germanischen Zeit bis ins hohe Mittlalter wurden Mord und Totoschlag meist dadurch gesühnt, daß sich die
Angehörigen des Erschlagenen an der Sippe des Täters rächten. Diese Urform der Rechtspflege, die Blutrache, gründete sich auf der Überzeugung, Mord und Totschlag
seien Privatangelegenheiten. Aus diesem Grunde kümmerte sich die Obrigkeit in der Frühzeit auch wenig darum, wenn sich ganze Familien gegenseitig ausrotteteten.
Allerdings versuchte sie seit Karl dem Großen in immer stärkerem Maße, die Blutrache durch die vertraglich geregelte Sühne zu ersetzen. Dies geschah einmal deshalb,
weil die Blutrache den Grundsätzen des Christentums in besonders krasser Weise zuwiderlief, zum anderen aber auch, weil die Staatsgewalt bei dem durch die
ständigen Fehden genährten Hang zur Selbsthilfe stets den Ausbruch von Feindseligkeiten befürchten mußte, sich selbst aber nicht auf eine Seite der streitenden
Parteien schlagen konnte, sollte der Frieden nicht gefährdet werden. Der Sühnevertrag, der auf die frühmittelalterliche Rechtspflege zurückging, ermöglichte dem Täter
noch im späten Mittelalter, als Totschlag nicht mehr unbedingt zu den Privatdelikten zählte, sich durch einen Vergleich mit der Familie des Opfers einer strafrechtlichen
Verfolgung oder der Blutrache zu entziehen.
Die Leistungen, welche er dabei zu übernehmen hatte, bestanden aus einer "weltlichen" und einer im späten Mittelalter immer umfangreicher
werdenden "kirchlichen" Gruppe. Die erstere umfaßte das Wergeld, eine Entschädigung an die Hinterbliebenen des Opfers, die auch in Naturalien geleistet werden
konnte, sowie die Bezahlung der Begräbnis- und Gerichtskosten. Die zweite bestand aus dem Seelgerät für den Erschlagenen, das folgende Einzelbestimmungen
umfassen konnte:
Zuwendungen an Klöster und Kirche (vor allem Wachsspenden), Eintritt in Bruderschaften,
Stiftungen von Seelenmessen für den Verstorbenen, an dessen Begräbnis der Täter in vorgeschriebener Kleidung und, wenn möglich, mit einer bestimmten Anzahl
von Freunden und Verwandten erscheinen mußte,
Stiftungen von Andachten und Messen, die gewöhnlich am sogenannten Siebenten und Dreißigsten, am Ende der ersten Woche bzw. des ersten Monats nach der
Beerdigung, feierlich begangen wurden,
Stiftungen von ewigen Lichtern, Bußwallfahrten, vornehmlich nach Aachen, Einsiedeln, Rom und Santiago de Compostella,
Setzen eines Steinkreuzes oder Bildstocks, Errichten einer Kapelle.
Unter dem Seelgerät verstand man "jede Art von Vermögenszuwendungen an Kirchen und Klöster mit der zu Grunde liegenden Idee, durch die
Aufopferung der irdischen und vergänglichen Güter Errettung aus dem Fegefeuer und die ewige Seligkeit für die eigene Person oder die Seelen verstorbener Angehöriger
zu erkaufen. Weil nichts gewisser als der Tod, nichts Ungewisser als die Stunde des Todes, müsse der Mensch - so lehrte die Kirche - dieweil er noch in der Zeit der
Gnade stehe, sich mit guten Werken versehen und versorgen, damit sie dort als Fürsprecher seiner Seele Heil und Trost suchen und erwerben möchten.
Deshalb spielten die Seelgeräte in Testamenten eine große Rolle und es würde der religiösen Überzeugung des mittelalterlichen Menschen widersprechen, blieben sie in
den Sühneverträgen unberücksichtigt. "Denn da dem Erschlagenen durch sein jähes Ende die Möglichkeit genommen war, für die Errettung seiner Seele aus dem
Fegefeuer selber die nöthigen Vorkehrungen zu treffen, wer anders mochte näher verpflichtet erscheinen, hier stellvertretend für ihn einzutreten als der Urheber seines
plötzlichen Todes? Dass dem durch die Geldbusse und Schadloshaltung ohnehin schon hinreichend belasteten Thäter durch die Auflage von Seelgeräten ein weitere,
höchst empfindlicher Vermögensnachtheil zugefügt wurde, fiel nicht in die Wagschale; massgebend war einzig und allein die Sorge für das Seelenheil des in seinen
Sünden dahingerafften Todten"3).
Aus dem heutigen Donnersbergkreis ist bisher ein Sühnevertrag bekannt geworden. Im Jahre 1369 gerieten Philipp von Bolanden und Graf
Heinrich II. von Sponheim wegen der Veste Bolanden, an der sie beide Anteile besaßen, in offene Fehde, "während welcher einst ein Haufen bolander Dienstmänner
zwei arme spanheimer Unterthanen, unterhalb der Burg Tannenfels, in Bennhausen, hinterlistiger Weise überfielen und sie jämmerlich ums Leben brachten, durch
welchen Gewaltstreich und Mord jener Bolander in große Verlegenheit und Noth beriet, bis derselbe endlich nach vielfachen Verhandlungen, der beiden Ermordeten und
deren Familien wegen, unter der Vermittlung des Kurfürsten von der Pfalz" am 20. August 1369 folgende Sühne eingehen mußte4):
"Wir Philps von Bolanden Herre zu der alden Beymburg, bekennen vmb soliche Geschichte vnd dotslage, die fürmals Grauen Heinrich von
Spanheim vnd den sinen von vnsem dienern von vnser Vesten Bolanden gescheen sin, datz vor vnser diener, die dis Geschichte getan haben, vor die zwene arme Manne,
die Grauen Heinrich dot verblieben sint, iren Selen heil vnd Code zu Lobe, zu Besserunge dun sollen zwo Römer verte [Fahrten], zwo Acher Verte, vnd dazgemeyne
Gebed von zwein vnd siebentzig Clostem gewynnen, vnd sechßzig Pund wachses geben, vnd zwei ewige Lichter machen, oder zehen Pund heller vor jedez licht geben,
vnd zwentzig Pund heller zu volleist[?] zu einer ewigen Messen geben vnd daz obenant wachs, die zwei ewige Licht, oderzehen Pund vor jedes Licht, vnd daz Gelt zu
der ewigen Messen sollen anegelacht werden, do die doden begraben sint, vnd sol auch zwei steynen Creutze offrichten in den Gemercken, do sie erslagen sint,
vndsoldarzu der zweyer doden Wibe, Kindern vnd freunden, viertzig Pfund heller zu Besserunge geben, daz werden tinclichen zwentzig Pfund heller. Vnd aliez daz hirfür
geschriben stet, globen wir Philip: von Bolanden mit guten treuwen one Geuerde [Hinterlist] von vbser lie-ben frauwen tage Natiuitas [Maria Geburt, 9 September] neste
kompt in der Jaresfrist gar vnd ganz zu vollen raren vnd enden one alle Geuerde [Hinterlist] das zu urkunde geben wir Philips fürgenant disen brieff, versigelt mit vnserm
anhangenden Ingesiegel. Datum Heidelberg secunda feria post assumptionem B. M. V. [Montag nach Maria Himmelfahrt] Anno Dni MCCCLX nono"5).
Am 19. November des gleichen Jahres versöhnte Pfalzgraf Ruprecht der Ältere die Dienstmannen Philipps von Bolanden, nämlich "Hannes von
Clyngenburg, Fritze Huttener, Ydel Muniche, Gerhart von Erlebach, Albrecht Stetenberger, Hennichen Rodehenne, Alhart Achtzehnheller, Cremer und. Schieber, und
auch etß wie vil andere Lude in Philipps von Bolanden Dienst, die off dem Felde darby gewesen sint", mit Heinrich II. von Sponheim. Sie mußten sich verpflichten, dem
Grafen "und sinen armen Luden" innerhalb zwier Jahre keinen Schaden zuzufügen und nach Ende dieser Frist, ihn und die Seinen nicht mehr zu bekriegen, es sei denn,
sie schickten ihm acht Tage zuvor einen Fehdebrief gen Dannenfels6).
Die Kreuze, die Philipp von Bolanden errichten lassen mußte, hatten das Andenken sowohl an die Erschlagenen wie an die Bluttat
wachzuhalten, dann aber vor allem die Vorübergehenden aufzufordern, für die beiden Männer zu beten, damit ihre Seelen bald, aus dem Fegefeuer erlöst, zur
Anschauung Gottes gelangen konnten. Sie sollten nach den Bestimmungen des Vertrags dort stehen, wo die Untertanen des Sponheimer Grafen erschlagen worden
waren, doch konnten die Hinterbliebenen des oder der Opfer durchaus auch anders entscheiden. Wurde dem Toten doch dort am besten geholfen, wo viele Leute
vorbeikamen, an Straßen, Wegekreuzungen oder Brücken. Deshalb müssen Standort des Kreuzes und Ort des Verbrechens oder Unfalls nicht identisch sein.
Angaben über Größe und Form der Kreuze fehlen in der Urkunde vom 20. August 1369 ebenso wie in den meisten Sühneverträgen. Da der
Täter die Male wohl nicht nach eigenem Belieben anfertigen lassen konnte, liegt die Vermutung nahe, daß man unter den in Sühneverträgen geforderten Kreuze Male
von ganz bestimmter, allgemein bekannter Größe und Form verstand. Es sind dies (zunächst überwiegend zeichen- und inschriftlose) niedere Steinkreuze - Sühneverträge
im Hochstift Eichstätt nennen eine Höhe von 2-7 Schuh (ca. 60-180cm) und eine Breite von 1½ -4 Schuh (ca. 45-120cm) - welche den finanziellen Möglichkeiten der
bäuerlich kleinbürgerlichen Bevölkerung am ehesten entsprachen und wie sie sich im Donnersbergkreis bei Dörnbach,
Gauersheim, Sembach,
Stauf und am Schorlenberg ('Combekreuz') erhalten
haben. Dieser Typus der Steinkreuze, der bis heute für sie charakteristisch geblieben ist, hatte sich während des Hochmittalalters herausgebildet, noch bevor diese
um 1300 im Zusammenhang mit dem Seelgerät Eingang in die Sühneverträge fanden. Dabei bleibt jedoch ungewiß, "in welcher Form und welcher Verbindlichkeit das
Sühnemal zunächst in Erscheinung trat und wie es sich weiter durchsetzte. Nur soviel steht fest, daß das niedere Steinkreuz als spätmittelalterliches Sühnemal eine
hervorragende Rolle gespielt hat"7).
Das mittelalterliche Sühnewesen fand, zumindest formell, sein Ende, als 1532 auf dem Reichstag zu Regensburg die "Constitutio Criminalis
Carolina" verabschiedet wurde, welche nur noch den öffentlichen Strafvollzug zuließ. Doch dauerte es noch Jahrzehnte, bis sich diese "Halsgerichtsordnung" Karls V.
durchgesetzt hatte, zumal die sogenannte 'Salvatorische Klausel' ihre Anwendung nur dann zuließ, wenn Weistum und Landrecht keine entsprechenden Bestimmungen
enthielten.
2.1.2. Das Kreuz zur Erinnerung an Unfall oder Verbrechen
Noch ehe das Steinkreuz Eingang in die Sühneverträge fand, war es üblich, Personen ein solches Mal zu errichten, die einem Unfall oder
einem Verbrechen zum Opfer gefallen waren. Auch diese Kreuze hatten vor allem die Aufgabe, die Vorübergehenden anzuhalten, für die Seele des plötzlich Verstorbenen
zu beten. Sühne- und Erinnerungmale wurden demnach aus der gleichen Absicht heraus errichtet, jene durch den Täter aufgrund eines Vertrages, diese durch Angehörige
und Freunde. Im 14., 15. und beginnenden 16.Jahrhundert übertrifft die Zahl der Sühnekreuze mit Sicherheit die der Gedächtniskreuze. Doch gibt es auch für diese Zeit
genügend Beispiele (z.B. ein 1277 in Speyer zum Gedächtnis an den ermordeten Domdechanten Albert von Mußbach, heute jedoch verschwundenes hohes Kreuz),
welche bewiesen, daß beide nebeneinander bestanden und nicht alle mittelalterliche Steinkreuze Sühnemale sind.
Im Donnersbergkreis lassen sich nur die beiden in unserem Jahrhundert errichteten steinernen Kreuze (Schneeberger
Hof, 1908; Göllheim, 1932/33) sowie die drei Eisenkreuze eindeutig als Erinnerungsmale ansprechen.
2.1.3. Der Titulus
Eine besondere Gruppe unter den Gedächtniskreuzen bilden die Male, die auf dem Schlachtfeld zur Erinnerung an Gefallene errichtet wurden.
Auch sie sind älter als die Sühnekreuze: Lambert von Hersfeld ( um 1080) berichtet, daß man im Jahre 1074 den von Anhängern König Heinrichs IV. erschlagenen
Bürgern der Stadt Goslar Gedenksteine, sogenannte 'tituli', setzte8). Ihr Aussehen ist jedoch unbekannt. Ein Titulus aus dem
ausgehenden 12.Jahrhundert - der 'Männekenstein' von Bühren (Kreis Hannoversch-Münden) - zeigt
in den Stein eingerillt ein Kreuz und die Gestalt des Toten. Später treten auf den meist Adeligen errichteten Malen neben die figürliche Darstellung Wappen und Inschrift
(z.B. Erinnerungsmal an den 1460 bei Laudenbach, Rhein-Neckar-Kreis gefallenen Ritter Ulrich von
Kronberg, heute Museum Heppenheim).
Ein Titulus ist auch das nach 1309 am Hasenbühl bei Göllheim errichtete 'Königskreuz',
erinnert es doch an den deutschen König Adolph von Nassau, der dort am 2.Juli 1298 Krone und Leben verlor; es zeigt allerdings nicht die Gestalt des Toten, wohl aber
Reichsadler und Nassauer Wappen. Darüber hinaus berichtet eine lateinische Inschrift über das Geschehen, welches zur Errichtung des Kreuzes führte.
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In einer Ansicht des 18.Jahrhunderts: das Göllheimer 'Königskreuz' |
2.2. Steinkreuze als Grenzzeichen
Zu Beginn unseres Jahrhunderts behauptete der sächsische Geistliche K. Heibig, die
Steinkreuze seiner Heimat seien als Grenzmale geistlicher Gebiete errichtet worden. Diese Ansicht blieb nicht lange unwidersprochen, und es gelang der
Forschung sehr rasch, ihre Haltlosigkeit nachzuweisen. Doch gibt es genügend Beispiele dafür, daß Kreuze die Grenzen von Städten, wie Mainz, Basel, Regensburg
oder Klöstern, wie La Ferté in Burgund, angaben. Dabei sollten die Male nicht allein die Grenze kennzeichnen, sondern dank ihrer das Böse abwehrenden Kraft Unheil,
Not und Seuchen von den Menschen abwehren.
Auch auf Landesgrenzen finden sich bisweilen Kreuze. So stand im Stumpfwald bei dem ehemaligen Landgericht "auf den Stampen an den
Stühlen" ein Mal, welches den unter Nassau-Saarbrücker Landeshoheit stehenden Stumpfwald vom kurpfälzischen Oberamt Kaiserslautern schied. So heißt es in dem
Protokoll eines 1508 durchgeführten Waldumgangs: "Undt dauon uf den zwantzigsten Stein ist ein Creutz, scheidt Altzenbom vndt Stampf bey den Stülen"9),
1550 war das Mal, das an einem Wege stand, abgeschlagen10), 1578 wurde es durch einen Grenzstein, der heute noch
erhalten ist, ersetzt. "Item ein stein steet vornen an den stuelen Ist vorhiern ein Creutz da gestanden scheit stampf und Altzenborn", heißt es in der Urkunde des im
gleichen Jahr durchgeführten Waldumgangs11).
Sicher hat man das Kreuz nicht als Grenzmal errichtet, denn die Grenze des Stumpfwaldes gaben Steine an. Vielmehr erhielt das als
Erinnerungs- oder Sühnekreuz, vielleicht auch als Asylkreuz gesetzte Mal erst im Zuge einer
genaueren Festlegung der Stumpfwaldgrenze während des 15.Jahrhunderts die Bedeutung eines Grenzzeichens, da sich sein Standort hierfür anbot.
Gleiches gilt auch für den Dreimärker, einen 'Creutz stein', der die Gemarkungen von Dreisen, Steinbach und Weitersweiler und damit
seit 1709 die Besitzungen der Grafen von Nassau-Weilburg, der Grafen von Leiningen und der Ritter Wamboldt von Ubstadt schied, sowie für das 'steinerne Kreuz',
das auf der Grenze von Standenbühl und Dreisen stand12). Beide Male sind heute verschwunden.
Steinkreuze als Grenzzeichen bilden Ausnahmen, denn als um 1500 die Versteinung der Landesgrenzen allgemein üblich wurden, hatte man
längst andere Hoheitszeichen gefunden, die als Grenzzeichen besser geeignet waren als diese doch recht aufwendigen Male.
3. Standorte der Steinkreuze
Da alle erhaltenen Steinkreuze des Donnersbergkreises Sühne- oder Erinnerungsmale sind, stehen sie - wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer
Funktion, Vorübergehende zu einem Gebet anzuhalten - meist an Straßen oder Wegen.
Das Steinkreuz bei Gauersheim an der Kreuzung der 'Alten Heerstraße', welche
von Oppenheim nach Kaiserslautem führte und der 'Alten Rheinstraße' die, in ost-westliche Richtung verlaufend, das Land am Rhein mit dem am Donnersberg verband;
das 'Combekreuz' und der 'Metzgerstein'
(dieser jedoch nicht als Erinnerungsmal errichtet) an der bis ins 19.Jahrhundert stark begangenen und heute durch die Autobahn abgelösten alten Hochstraße, welche
von Worms über Kaiserslautern nach Lothringen führte; der 'Mordstein' bei Dörnbach an einem alten
Höhenweg, der nach Dörrmoschel führt; das 'Kesslerkreuz' an einem Weg, welcher Stauf mit dem Rosenthaler
Hof verbindet und das 'Königskreuz' in Göllheim wiederum an der 'Alten Heerstraße' sowie an der "Alten
Straße", welche zum Kloster Rosenthal führte.
Dagegen stand das 'Baudweiler Kreuz' bei Sembach ursprünglich in der Nähe der
Alsenz.
Die jüngeren steinernen Male am Schneeberger Hof und in Göllheim, sowie
die drei eisernen Male bei Alsenbrück-Langmeil und Ramsen stehen dort, wo sich die Unfälle ereigneten, an der Straße nach Gerbach, am Ruheweg, der zur Füllenweide
führt, an der B 48 und der Kreisstraße Ramsen-Göllheim.
Anmerkungen:
1) Ende, Horst: Denk- und Sühnesteine in Mecklenburg; In: Kulturbund der DDR, Bezirksleitung Schwerin, Heft 13; Ludwigslust 1973; S.60.
2) Schmeissner, Rainer: Steinkreuze in der Oberpfalz; Regensburg 1977; S.82.
3) Frauenstädt, Paul: Blutrache und Todtschlagsühne; (Nachdruck) Berlin 1980; S.144.
4) Lehmann, Johann Georg: Die Grafschaft und die Grafen von Sponheim; (Nachdruck) Walluf 1973; S.106.
5) Hessisches Staatsarchiv Darmstadt; Bestand C l (Handschriften), Nr.204 - Abschrift von Franz Josef Bodmann, um 1800.
6) Köllner, Adolph: Geschichte der Herrschaft Kirchheim-Boland und Stauf; Wiesbaden 1854; S.77.
7) Losch, Bernhard: Steinkreuze in Südwestdeutschland; (Band 12 der Reihe Volksleben der Tübinger Vereinigung für Volkskunde); Tübingen 1968, S.91.
8) Wartenbach, W: Die Jahrbücher des Lambert von Hersfeld; (Die Geschichtsschreiber der deutschen Vorzeit, Band 43); Leipzig 1939; S.163.
9) Landesarchiv Speyer: Bestand C 38 (Nassau-Weilburg, Akten), Nr.1694.
10) Landesarchiv Speyer: C 38, Nr.1680.
11) Landesarchiv Speyer: C 38, Nr.13.
12) Landesarchiv Speyer: C 38, Nr.24 und WW l (Karten und Pläne), Nr.334.
(Donnersberg-Jahrbuch. Heimatbuch für das
Land um den Donnersberg, Jahrgang 6, 1983, S.156-163)
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