Geschichte & Forschung Rechts-Bräuche

Ruhsteine etc.
auch Ruhen, (Toten-)Rasten, Napoleonsbänke etc.

Die Ruhsteine sind nicht zu verwechseln mit den Rugsteinen (Gerichtssteine). Der Errichtungsgrund ist ein gänzlich anderer. Durch sprachliche Verwischung und Fehlinterpretationen umgangssprachlicher, regionaler Benennungen ist im Laufe der Jahre teilweise eine Gleichstellung zweier unterschiedlicher Denkmalgruppen entstanden, die sich nur durch Forschung am jeweiligen Denkmal wieder rückschließen lässt.


 kleinere Abhandlungen 
Harrsch - Totenrasten, 1932
Mötzing, Kurt - Ruhen, Mahnsteine und Napoleonsbänke, 1969
Wild, Rudolf - Zu Ehren Napoleons II. Die Napoleonsbank bei Ilbesheim erinnert an die französische Zeit der Pfalz, 2007
Wild, Rudolf - Der Ursprung der Napoleonsbänke, 2008


 weiterführende Literatur und Quellen 
Wild, Rudolf - Vom Ruhstein zur Napoleonsbank, Volkskundliche Beiträge zur Kulturgeschichte der Pfalz - Heft 1, Annweiler-Queichhambach 1997
Wild, Rudolf - Die Steinfelder Ruhbank, in: Steinfeld 1250 bis 2000. Steinfeld 2000, S.438-440
Wild, Rudolf - Die Ruhbank bei Pirmasens - Ein Vergleich mit den Napoleonsbänken im benachbarten Elsaß, in: Heimatkalender für das Pirmasenser und Zweibücker Land 2001, S.191-193
Weber, Gesine - Ruhesteine und Ruhebänke im Main-Taunus-Kreis, in: Zwischen Main und Taunus, Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises 1998, 6.Jg. S.13-17
weitere Literatur


 dokumentierte Beispiele 
Eggolsheim I (BY) kl. Bild
Poppenreuth II (BY)
Bell V (RLP)
Forchheim X / XI (BY)
Hüffenhardt I (BW) kl. Bild
Breuningshof II (BY)
Kauernhofen III (BY)
Údlice / Eidlitz IV - VI (CZ)
Schirneidel I (BY) kl. Bild
Bredenbeck I (NS)
Buckenhofen VI (BY)
Chomutov / Komotau II-V (CZ)

Auf der Homepage von Rudolf Wild gibt es eine Auswahl mit ausführlich beschriebenen Napoleonsbänken im Pfälzischen Raum



 weitere Meldungen 

Ruhesteine wurden meistens an Zoll- und Wegegelderhebestellen aufgestellt. Sie dienten zum Absetzen von Traglasten, deren Inhalt hier verzollt werden mußte.
(Saalfeld, Karlfritz - Kleindenkmäler im Werra-Meißner-Kreis, Schriften des Werratalvereins Witzenhausen, Heft 28, 1995, S.86)

Totenrasten
   Das Christentum führte neue Begräbnisformen ein, es entstand der Friedhof um die Kirche. Damals war aber nicht in jeder Gemeinde eine Pfarrkirche mit Begräbnisrecht. Dieses Recht ruhte zuerst auf den Mutterpfarren und wurde erst, zum Teil viel später, an Kirchen übertragen, die sich auf Grund der festgefügten christlichen Gemeinde als existenzfähige Pfarren erwiesen. Mehrere Stunden lange Wege trennten damals die Orte von ihrer Begräbniskirche. Ähnlich verhielt es sich mit den Taufrechten der Kirchen.
   So erhielten z.B. die Kirche in Zell Pfarre und jene in Windisch Bleiberg erst 1346 das eigene Begräbnisrecht, bis dahin mußten die Toten zur Beerdigung nach der Mutterkirche in Kappel an der Drau gebracht werden. Ferlach erhielt das Beerdigungsrecht gar erst im Jahre 1748 für Kinder und 1766 für Erwachsene. Auch die Ferlacher wurden bei St. Zeno in Kappel an der Drau begraben.
   Aus hochgelegenen Gebirgsdörfern, die während des Winters durch Eis und Schnee vom Tal und ihrer Begräbniskirche getrennt blieben, wurden die Verstorbenen nach der Schneeschmelze zur Beerdigung zu Tal gebracht. Bis dahin wurden die Särge mit den Leichen in den Schnee gelegt. Es ist noch nicht so lange her, daß dieses in der Asten, einem seitlichen Hochtal der Moll, so gehalten wurde.
   Auf den langen Wegstrecken zu Beerdigungen und Taufen, die in Prozessionsform vor sich gingen, gab es natürlich Raststellen, die sogenannten Totenrasten, die es vielfach noch heute gibt. An diesen Rastorten standen oder entstanden Gebetsniederlassungen in Kreuz- oder Bildstockform.
   Soferne die Toten nicht auf Wagen gefahren wurden, wechselten die Träger an den Totenrasten, was auf einigermaßen ausgeglichene Intervalle schließen läßt.
   Heute findet man z.B. noch die Einsegnungen der Verstorbenen in St. Paul i.L. beim Bildstock am nördlichen Ortseingang. Am Wachsenberg kommt der Ortspfarrer dem Leichenzug bis zum sechskantigen "Schulkreuz" entgegen, wo die erste Einsegnung stattfindet. In Goß bei Leoben werden die Toten aus der Aufbahrungshalle im Friedhof heraus zu einem am benachbarten Kreuzweg stehenden Bildstock zur Einsegnung getragen.
(Skudnigg, Eduard - Bildstöcke in Kärnten, Klagenfurt 1972, 2.Aufl., S.41)

In der Eifel ließ man Armen steinerne Ruhebänke, die "Räst", "Rast" oder "Sitz" aufstellen, primitive niedrige Sitzbänke aus Basaltlava. Daneben stand oft noch eine höhere Räst zum Absetzen von Traglasten, die auf dem Kopf balanciert wurden. Es waren meist Frauen, die Obst, Gemüse und Eier über Land zum nächstgelegenen Markt trugen, die die Räst benutzten. Manchmal setzte der Stifter dann noch ein Wegkreuz dazu [...]
(Lehmann-Brauns, Elke - Himmel, Hölle, Pest und Wölfe: Basaltlava-Kreuze der Eifel, 1986, S.38)

In der Literatur wird man sich vergeblich nach den Ruhsteinen umschauen. Nur in handschriftlichen alten Grenzbeschreibungen, Gemeindeordnungen oder sonstigen Berichten über lokale Ereignisse ist hie und da von einem solchen Steine, gewöhnlich in der Fassung "beim Ruhstein", die Rede. Allem Anscheine nach ist über die "Ruhsteine" bisher weit weniger nachgedacht worden, als über die alten Steinkreuze. Einmal weil man sie als gleichbedeutend mit diesen betrachtete - sind ja doch auch die gleichartigen Sagen über sie verbreitet, wie über die eigentlichen alten "Kreuzsteine", die wir als Sühndenkmäler für einen begangenen Totschlag erkannt haben, auch die häufig für beide gebrauchte Bezeichnung "Schwedenstein" bezeugt dies - zum anderen, weil man sich vielleicht auch mit der aus ihrer Benennung hervorgehenden Zweckerklärung zufrieden gab. Denn was soll ein Ruhstein anderes sein als ein Stein zum Ausruhen. Wer Marktbesucher, besonders Frauen, die schwerbepackten Körbe auf solchen Steinen absetzen sah und vielleicht auch noch den einen oder anderen müden Wanderer beobachtete, wie er hier ein Weilchen der Ruhe pflegte, der wird in einem solchen Steine - zugleich in Würdigung der an ihn sich knüpfenden Tradition, die die Veranlassung zu seiner Benennung gab - gewiß nichts anderes erblicken wollen als eine Bank zum Ausruhen. Und doch dürfte auf sie weder die eine noch die andere Erklärungsform anzuwenden sein. Dem Verfasser dieser Zeilen ist es gelungen, einen solchen Stein mit einer zusammenhängenden Inschrift aufzufinden und diese zu entziffern. Der Stein liegt an der linksseitigen äußeren überhöhten Grabenwandböschung der von Komotau nach Reizenhain führenden Straße, knapp über Oberdorf, und trägt in lateinischer Majuskel nachstehende, die der Straße zugekehrte Seite des 115cm breiten, 60 + 33cm hohen und 36cm dicken Steines (feiner Sandstein) vollständig bedeckende Inschrift: Dieser Dhaeder had avf dem Comedaver Marc nach ergangenen gnaedigen Vrdell vnd Abhavnc der rechten Hand seinen Lohn ebfangen. Dieser Stein ist zvm Gedechdnus tes Andre ...... an dieses Ord gsetz worden. Got verleie ihm die ewige Rvhe. Auf der an einer steilen Böschung anstehenden Rückseite, die erst jüngst freigelegt worden ist, liest man in der gleichen, ebenfalls die ganze Fläche einnehmenden Schrift: Anno 1645 den 22.October ist an dieser Stelle Andre ... Mahn von Merzdorf von seinen Vetter Baul Mahn mörderlicher Weise erschosen vnd in der Stad Komotau auf dem Gottesacer begrawen worden. Diese Inschrift - allerdings die einzige in solcher Ausführlichkeit, die uns überhaupt untergekommen ist - spricht deutlich. Insbesondere sagt sie uns, daß dieser Stein seiner ursprünglichen Bestimmung nach nichts zu tun hatte mit dem zeitweiligen Ausruhen vorübergehender müder Menschen, denn hier handelt es sich um die ewige Ruhe eines gewaltsam aus dem Leben geschiedenen Mannes, der nicht einmal an dieser Stelle begraben liegt. Da nun dieser Stein genau dieselbe Form und Größe wie die meisten anderen in der hiesigen Gegend, besonders um Komotau herum befindlichen, als "Ruhsteine" angesprochenen Denkmäler besitzt, so darf vielleicht angenommen werden, daß auch diese einem ähnlichen Zwecke zu dienen bestimmt gewesen sind, wie der Oberdorfer Stein, der nach seiner Inschrift - wenigstens in gewissem Sinne - als ein Sühnstein aufzufassen ist, wenn auch nicht in der Weise, wie die alten Steinkreuze es sind, die, wie schon oben angedeutet, in allerdings weit früherer Zeit zur Sühne für einen Totschlag nach vorausgegangenem Vergleiche mit den Angehörigen des Getöteten von dem Täter zu setzen waren.
(Wilhelm, Franz - Ruhsteine - Dorfsteine - Gerichtssteine, in: Zeitschrift für österreichische Volkskunde, 1906, Heft 3, S.129-130)



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Sühnekreuze & Mordsteine