Ruhesteine wurden meistens an Zoll- und Wegegelderhebestellen aufgestellt. Sie dienten zum Absetzen von Traglasten, deren Inhalt hier verzollt werden mußte.
(Saalfeld, Karlfritz - Kleindenkmäler im Werra-Meißner-Kreis, Schriften des Werratalvereins Witzenhausen, Heft 28, 1995, S.86)
Totenrasten
Das Christentum führte neue Begräbnisformen ein, es entstand der Friedhof um die Kirche. Damals war aber nicht in jeder Gemeinde eine
Pfarrkirche mit Begräbnisrecht. Dieses Recht ruhte zuerst auf den Mutterpfarren und wurde erst, zum Teil viel später, an Kirchen übertragen, die sich auf Grund der
festgefügten christlichen Gemeinde als existenzfähige Pfarren erwiesen. Mehrere Stunden lange Wege trennten damals die Orte von ihrer Begräbniskirche. Ähnlich
verhielt es sich mit den Taufrechten der Kirchen.
So erhielten z.B. die Kirche in Zell Pfarre und jene in Windisch Bleiberg erst 1346 das eigene Begräbnisrecht, bis dahin mußten die Toten zur
Beerdigung nach der Mutterkirche in Kappel an der Drau gebracht werden. Ferlach erhielt das Beerdigungsrecht gar erst im Jahre 1748 für Kinder und 1766 für
Erwachsene. Auch die Ferlacher wurden bei St. Zeno in Kappel an der Drau begraben.
Aus hochgelegenen Gebirgsdörfern, die während des Winters durch Eis und Schnee vom Tal und ihrer Begräbniskirche getrennt blieben,
wurden die Verstorbenen nach der Schneeschmelze zur Beerdigung zu Tal gebracht. Bis dahin wurden die Särge mit den Leichen in den Schnee gelegt. Es ist noch
nicht so lange her, daß dieses in der Asten, einem seitlichen Hochtal der Moll, so gehalten wurde.
Auf den langen Wegstrecken zu Beerdigungen und Taufen, die in Prozessionsform vor sich gingen, gab es natürlich Raststellen, die
sogenannten Totenrasten, die es vielfach noch heute gibt. An diesen Rastorten standen oder entstanden Gebetsniederlassungen in Kreuz- oder Bildstockform.
Soferne die Toten nicht auf Wagen gefahren wurden, wechselten die Träger an den Totenrasten, was auf einigermaßen ausgeglichene
Intervalle schließen läßt.
Heute findet man z.B. noch die Einsegnungen der Verstorbenen in St. Paul i.L. beim Bildstock am nördlichen Ortseingang. Am Wachsenberg
kommt der Ortspfarrer dem Leichenzug bis zum sechskantigen "Schulkreuz" entgegen, wo die erste Einsegnung stattfindet. In Goß bei Leoben werden die Toten aus
der Aufbahrungshalle im Friedhof heraus zu einem am benachbarten Kreuzweg stehenden Bildstock zur Einsegnung getragen.
(Skudnigg, Eduard - Bildstöcke in Kärnten, Klagenfurt 1972, 2.Aufl., S.41)
In der Eifel ließ man Armen steinerne Ruhebänke, die "Räst", "Rast" oder "Sitz" aufstellen, primitive niedrige Sitzbänke aus
Basaltlava. Daneben stand oft noch eine höhere Räst zum Absetzen von Traglasten, die auf dem Kopf balanciert wurden. Es waren meist Frauen, die Obst, Gemüse
und Eier über Land zum nächstgelegenen Markt trugen, die die Räst benutzten. Manchmal setzte der Stifter dann noch ein Wegkreuz dazu [...]
(Lehmann-Brauns, Elke - Himmel, Hölle, Pest und Wölfe: Basaltlava-Kreuze der Eifel, 1986, S.38)
In der Literatur wird man sich vergeblich nach den Ruhsteinen umschauen. Nur in handschriftlichen alten Grenzbeschreibungen, Gemeindeordnungen
oder sonstigen Berichten über lokale Ereignisse ist hie und da von einem solchen Steine, gewöhnlich in der Fassung "beim Ruhstein", die Rede. Allem Anscheine nach ist über die
"Ruhsteine" bisher weit weniger nachgedacht worden, als über die alten Steinkreuze. Einmal weil man sie als gleichbedeutend mit diesen
betrachtete - sind ja doch auch die gleichartigen Sagen über sie verbreitet, wie über die eigentlichen alten "Kreuzsteine", die wir als Sühndenkmäler für einen begangenen Totschlag erkannt haben, auch
die häufig für beide gebrauchte Bezeichnung "Schwedenstein" bezeugt dies - zum anderen, weil man sich vielleicht auch mit der aus ihrer Benennung hervorgehenden Zweckerklärung zufrieden gab.
Denn was soll ein Ruhstein anderes sein als ein Stein zum Ausruhen. Wer Marktbesucher, besonders Frauen, die schwerbepackten Körbe auf
solchen Steinen absetzen sah und vielleicht auch noch den einen oder anderen müden Wanderer beobachtete, wie er hier ein Weilchen der Ruhe pflegte, der wird in einem solchen Steine - zugleich in
Würdigung der an ihn sich knüpfenden Tradition, die die Veranlassung zu seiner Benennung gab - gewiß nichts anderes erblicken wollen als eine Bank zum Ausruhen. Und doch dürfte auf sie weder die
eine noch die andere Erklärungsform anzuwenden sein. Dem Verfasser dieser Zeilen ist es gelungen, einen solchen Stein mit einer zusammenhängenden Inschrift aufzufinden und diese zu entziffern.
Der Stein liegt an der linksseitigen äußeren überhöhten Grabenwandböschung der von Komotau nach Reizenhain führenden Straße,
knapp über Oberdorf, und trägt in lateinischer Majuskel nachstehende, die
der Straße zugekehrte Seite des 115cm breiten, 60 + 33cm hohen und 36cm dicken Steines (feiner Sandstein) vollständig bedeckende Inschrift: Dieser Dhaeder had avf dem Comedaver Marc nach
ergangenen gnaedigen Vrdell vnd Abhavnc der rechten Hand seinen Lohn ebfangen. Dieser Stein ist zvm Gedechdnus tes Andre ...... an dieses Ord gsetz worden. Got verleie ihm die ewige Rvhe.
Auf der an einer steilen Böschung anstehenden Rückseite, die erst jüngst freigelegt worden ist, liest man in der gleichen, ebenfalls die ganze Fläche einnehmenden Schrift: Anno 1645 den 22.October ist
an dieser Stelle Andre ... Mahn von Merzdorf von seinen Vetter Baul Mahn mörderlicher Weise erschosen vnd in der Stad Komotau auf dem Gottesacer begrawen worden. Diese Inschrift -
allerdings die einzige in solcher Ausführlichkeit, die uns überhaupt untergekommen ist - spricht deutlich. Insbesondere sagt sie uns, daß dieser Stein seiner ursprünglichen Bestimmung nach nichts zu tun
hatte mit dem zeitweiligen Ausruhen vorübergehender müder Menschen, denn hier handelt es sich um die ewige Ruhe eines gewaltsam aus dem Leben geschiedenen Mannes, der nicht einmal an dieser Stelle
begraben liegt. Da nun dieser Stein genau dieselbe Form und Größe wie die meisten anderen in der hiesigen Gegend, besonders um Komotau herum befindlichen, als
"Ruhsteine" angesprochenen Denkmäler besitzt, so darf vielleicht angenommen werden, daß auch diese einem ähnlichen Zwecke zu dienen bestimmt
gewesen sind, wie der Oberdorfer Stein, der nach seiner Inschrift - wenigstens in gewissem Sinne - als ein Sühnstein aufzufassen ist, wenn auch nicht in der Weise, wie die alten Steinkreuze es sind, die, wie
schon oben angedeutet, in allerdings weit früherer Zeit zur Sühne für einen Totschlag nach vorausgegangenem Vergleiche mit den Angehörigen des Getöteten von dem Täter zu setzen waren.
(Wilhelm, Franz - Ruhsteine - Dorfsteine - Gerichtssteine, in: Zeitschrift für österreichische Volkskunde, 1906, Heft 3, S.129-130)