Zu den Verwandten der Flurkrenze gehört nach Frenzel der "Tote Mann". Wir treffen ihn wiederholt
als Flurnamen in unserer Heimat an. Bei Weißkollm wird eine Stelle am Burghammer Wege als "Toter Mann" bezeichnet. Dort soll ein Händler, der von Weißkollm
nach Spremberg zog, von Räubern erschlagen und seiner Barschaft beraubt worden sein. "Am toten Mann" heißt eine Stelle bei Lindenau und auch bei Mulkwitz.
"Der tote Junge" bei Deschka liegt an der kleinen Straße von Nieder-Neundorf nach Neukrauscha nicht weit von der Stelle, wo sich der Weg nach Zodel wendet.
Ein Bauer soll hier einen nachlässigen Schafjungen erschlagen und den Leichnam, um einen Selbstmord vorzutäuschen, an einen Baum gehängt haben. Auch bei
Tränke gibt es einen "Toten Mann", in der Görlitzer Heide einen "Totenmannsweg" und einen "Totenmannshau". Wir haben es hier mit einer vorchristlichen, heidnischen
Sitte zu tun, die übrigens auch schon Anton in seiner mehrfach erwähnten Arbeit näher beleuchtet: "In den älteren Zeiten wurden, wie bekannt, die toten Körper unserer
Vorfahren verbrannt. Ebenso bekannt ist es, daß jeder Mensch einen gerichtlichen Wert oder ein Wergeld nach seiner Geburt hatte. Wenn nun einer ermordet ward,
so übernahmen ihn seine Freunde, erzeigten ihm die letzte Ehre und forderten das Wergeld, wenn der Ermordete bekannt war. War der Gefallene ein Fremder, den
niemand kannte, so konnte auch niemand sich seiner annehmen, und die Gewalt des Staates reichte nicht bis zu gerichtlichen Untersuchungen. Er blieb also
unbegraben liegen; aber das Gefühl der Menschheit forderte jeden Deutschen auf, der vorbeiging, daß er Sträucher auf ihn warf, die dann, wenn ihrer genug waren,
angezündet wurden, und der Leichnam also sein Recht erhielt". Die von mir in die Übersicht mit aufgenommenen Beispiele: das "Tote Mädchen" bei Kotten, der "Tote
Mann" bei Niesky und der "Tote Postillon" bei Rengersdorf stammen aus neuerer Zeit; doch hat sich die alte Sitte des Bedeckens der Stelle mit Zweigen zum Teil bis
heute erhalten.
(Herr, Dr. Oskar - Steine am Wege, 1929, S.6)
Tote, die keine Ruhe im Grabe haben, kommen wieder, so besonders Mörder, solche, die eine Untat verschwiegen, Selbstmörder,
Erschlagene. Darum soll, wer an einem Orte vorübergeht, wo einer erschlagen worden ist, einen Zweig, Stein, eine handvoll Erde darauf werfen. Der dadurch entstehende
Hügel heißt Toter Mann, Totschlag.
(von Schulenberg, Landeskunde der Provinz Brandenburg, Berlin 1912, 3.Bd., S.260)
Ueber Steinhaufen: Richard Andree, Ethnographische Parallelen und Vergleiche. Stuttgart 1878, S.46.
Hier Reisichthäufung: Bei der Kapelle (¾ Std. von Oberbergern bei Mautern, N.-Oesterreich) ziehen die Vorbeigehenden
am Glockenstrang (gegen böse Geister?). 600 Schritte davon unter einer alten Buche erhebt sich ein Reisichthaufen "beim toten Mann". Jeder legt einen Zweig darauf,
mit der Spitze in gleicher Richtung; "es sei ein entrischer Ort", man schützt sich damit gegen böse Geister. Unter dem reisichthaufen liege ein von Räubern erschlagener
mann; die uralte Sitte verlangt, daß kein toter Körper unbedeckt bleibe; darum soll jeder Erde über ihn schütten vergl. den Brauch bei Begräbnissen, ein Schäufelchen
Boden ins Grab zu werfen; wo Erde nicht vorhanden, einen Stein oder Zweig über ihn legen. Nach Marie Eysn in
der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 1898 S.455, wo weitere Literatur und Abbildung.
(Deutsche Gaue, Band XII, 1911, 4.Lieferung, S.106-107)
[...] Um das Kreuz herum liegt ein kleiner Geröllhaufen. Diese
etwa faustgroßen Steine finden sich fast immer bei Sühnekreuzen in waldferner Gegend, anderswo treten Reisighaufen auf. Nach alter Sitte wollte man einen
Erschlagenen bedecken, um nicht den Verdacht eines Mordes aufkommen zu lassen. Später kam wohl der Aberglaube hinzu, daß man den Toten damit bannen und
unschädlich machen könne, wer das unterläßt, dem "hackt wat up".
(Iggensen, Jochen - Steinkreuze im Kreise Hagenow, in: Deutscher Kulturbund. Bezirksleitung Schwerin. Kommission Natur und Heimat. Informationen
des Bezirksarbeitskreises für Ur- und Frühgeschichte Schwerin, Nr.12, April 1972, S.41)
Der todte Mann ist noch nachzuweisen in der Kgl. Forst
bei Schadewitz (anfangs eine Stein-, dann eine Reisiganhäufung, jetzt ein Rasenhügel), am Wege von Dobrilugk
nach Prießen, wo vor 50 Jahren der Förster Linsener erschlagen worden ist: noch jetzt wirft jeder Vorübergehende ein Reis dorthin. Nur der Name ohne eine Anhäufung
von Reisig lebt fort in der Heide bei Crossen Kr. Luckau.
(Busch, Emil - Steinerne Sühnekreuze und der todte Mann, in: Mittheilungen der Niederlausitzer Gesellschaft, Band VI (1899-1901), Heft I, 1899, S.37)
Wir finden in allen Ländern, und auch bei uns, niedrige steinerne Kreuze an den Wegen; Geschichte
und Überlieferung sagt uns jedesmal, daß dort ein Mensch ermordet sei.
In den älteren Zeiten wurden, wie bekannt, die todten Körper unserer Vorfahren verbrannt. Eben so bekannt ist es, daß jeder Mensch einen
gerichtlichen Werth oder ein Wehrgeld nach seiner Geburt hatte. Wenn nun einer ermordet ward, so übernahmen ihn seine Freunde, erzeigten ihm die letzte Ehre, und
forderten das Wehrgeld, wenn der Mörder bekannt war. War aber der Gefallene ein Fremder, den Niemand kannte, so konnte auch Niemand sich seiner annehmen und
die Gewalt des Staates reichte nicht bis zu gerichtlichen Untersuchungen. Er blieb also unbegraben liegen, aber das Gefühl der Menschheit forderte jeden Teutschen
auf, der vorbeiging, daß er Sträucher auf ihn warf, die dann wenn ihrer genug waren, angezündet wurden, und der Leichnam also sein Recht erhielt. Diese Gewohnheit
machten sich die Mörder zu Nuze, um dem Wehrgelde und der Busse zu entgehn; sie bedeckten den Leichnam mit vielen Reisern, oder zündeten sie gar an, welches
selbst noch geschah, als das Christenthum angenommen war. Dieses war eines der grössesten Verbrechen, das bei den Salischen Franken dreifach gestraft ward, denn
wenn der Mord eines Freien 200 und der eines, der des Königs Frieden genoß, 600 Schillinge galt, so ward, wenn man den Körper mit Reisern bedeckte, jener mit 600
doeser mit 1800 Schillingen gebüsset. Bei den Langbarden errichteten die Verwandten ihrem im Kriege, oder sonst gefallenen Freunde, zwischen ihren Gräbern eine
Stange, auf deren Spitze eine hölzerne Taube stand, die dahin sah, wo er getödtet worden war.
Als das Verbrennen, mit dem Christenthum, unter den Teutschen und Slawen durch Zwangsmittel aufhörte, so nahm man doch, nach
allgemeiner Sitte, ein Bild an, und legte Reiser auf das Grab, zur Erinnerung an das ehemalige Verbrennen, welches der heilige Otto den Pommern ausdrücklich verbot.
Diese Sitte Reiser zu legen, ward also entweder untersagt oder kam von selbst ab und man vergaß auch die Sitte des Reiserlegens bei
natürlich gestorbenen und bei ermordeten. Die letztern wurden anfänglich nicht auf dem Kirchhofe, sondern da beerdigt, wo sie fielen, und weil man über ihren Zustand
nicht urtheilen konnte, so errichtete man daselbst ein Kreuz, damit die Vorübergehenden ein Vaterunser für die Verstorbenen
beten konnten, welches auch noch fortdauerte, als man die Erschlagenen auf die Kirchhöfe begrub. Das Kreuz kam also an die Stelle der Reiser.
(Nostiz, Anton - Das Kreuz am Wege, in: Lausitzsche Monatsschrift, Zwölftes Stück, Dezember 1796, S.325-327)