[...] So bezeugt überall der Volksglaube, daß im Kreuz dem irrenden Toten ein Ruheplatz geschaffen wird. Gilt nun
dieses als Sitz der Toten, so erklärt sich auch die Furcht, die namentlich der Landbewohner vor dem Steinkreuz hat. Er meidet es, besonders während der Nacht, und
macht lieber einen großen Umweg, um nur nicht an dem Kreuz vorüberzugehen. Auch darf das Kreuz nicht von seinem Bestimmungsort versetzt werden. Geschieht es,
so rächt sich der Tote. Dem Bauer, der es tut, stirbt das Vieh im Stalle, sein Feld gedeiht nicht, bis das Steinkreuz wieder an seinen ursprünglichen Platz gestellt ist.
Ein Ulmer nahm es fort und machte einen Dängelstein aus ihm; da lärmt und poltert es in seinem Hause so lange, bis er das Kreuz seinem Bestimmungsorte
wieder gegeben hat. Ebenso ging es einem Jüterbogker Schmied, der das Kreuz abgebrochen und in
seinem Hause erst Ruhe bekommen hatte, nachdem er es wieder an seinen ursprünglichen Ort gebracht. Man hört Wimmern beim Versetzen des Kreuzes. Ebenso
verlangt der Kreuzstein, d.i. der mit dem Kreuze versehene Steinblock, das Bindeglied zwischen Stein und Steinkreuz, ja selbst, der Grabstein an den Platz zurück,
wo man ihn ursprünglich gesetzt hat. Der Tote spricht in dem Stein und verlangt durch Zurücksetzung seine Ruhe. Aus diesem Vorstellungskreise des Volkes erklären
sich die zahlreichen Spukgeschichten, die sich an die Steinkreuze knüpfen. Sie sind zwar den Toten als Ruheplätze gesetzt, aber auch dann können nach dem
Volksglauben Ermordete, Selbstmörder, Gehängte, Verunglückte keine Ruhe finden, weil sie vorzeitig ihr Leben ausgehaucht haben. [...]
(Mogk, Eugen - Der Ursprung der mittelalterlichen Sühnekreuze, in: Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, 81. Band, Heft 1, Leipzig 1929, S.12-13)
[...] Das Zerstören eines Kreuzes kam noch vor Grabschändung, denn Abbrechen oder Zerstören eines Steinkreuzes
brachte den Tod. An solch einen "Fall" erinnert heute noch das abgebrochene Steinkreuz in Tennenlohe ; dieses Kreuz wurde im Jahre 1900 von einem Bauern abgebrochen,
der sich dann später einbildete, daran sterben zu müssen, im selben jahre wurde er auch ernstlich krank und starb.
(Wittmann, Leonhard - Steinkreuze im Volksglauben, in: Das Steinkreuz, 2.Jg., 1934, Heft 2, S.4)
Ein Einbecker Bürger hat beim Holzholen den Weg für Unbefahrbar gehalten und von der nahen Klause ein "Bild" genommen
und in den Weg geworfen. Bevor er zu Hause war, hat sein Wagen sein Bein "zerdrucket, zerknirschet und zerbrochen".
Anmerkung: Mit "Bild" ist der Kreuzstein von Eilensen gemeint.
(Fahlenbusch, o. - Die Kreuzsteine im Kreise Einbeck, in: Göttinger Blätter für Geschichte und Heimatkunde Südhannovers, 1.Jg., NF, Heft 2, 1935, S.27)
Bis zum Jahre 1940 lag im sogenannten Birnzipfel von Tennenlohe bei Erlangen das obere Teil eines
Steinkreuzes, welches vor seiner Zerstörung bis zum Jahre 1900 im Wetterkreuzfeld (Flurplan Nr. 187½) an der Nürnberger Straße,
kurz vor dem Ortseingang auf der linken Seite seinen Standplatz hatte und von dem Landwirt Fritz Ströhlein, Tennenlohe Haus Nr. 31,
entfernt und in zwei Teile zerschlagen wurde. Das untere Stück legte Ströhlein als Stufe vor die Tür seines Hauses, während die obere
Partie des Wetterkreuzes in der Hofecke seines Anwesens einen unwürdigen Platz fand. Als Ströhlein bald darauf schwer erkrankte,
führte er die Ursache seiner Krankheit auf die Beseitigung und Zerstörung dieses Steinkreuzes zurück. Da der Gesundheitszustand
Ströhleins es nicht erlaubte, das Kreuz wieder an seinen ursprünglichen Standort zu schaffen, ließ er auf Anraten das in der Ecke
seines Hofes lagernde Stück einstweilen vor das Anwesen und zwar an der äußeren Mauerseite seines Backofens verbringen.
Seinen Vorsatz, das Wetterkreuz wieder an seinen alten Platz zu stellen, konnte er jedoch nicht mehr ausführen, da er an den Folgen
des sich zugezogenen Leidens bald darauf verstarb. Das Steinkreuz war auch unter dem Namen Sebastianskreuz bekannt und wurde
im Jahre 1940 von einem Maurer völlig zerschlagen, die Trümmer zur Befestigung der Gartenpfosten des gleichen Anwesens
verwendet. Ein ähnlicher Fall ereignete sich in Niederndorf bei Herzogenaurach. Das an der Wegscheide Herzogenaurach - Lohhof
stehende Steinkreuz war eine Zeit lang in die Mauer einer auf dem angrenzenden Grundstück sich befindlichen Scheune des
Wegemachers Reichelsdorfer eingemauert. Da Reichelsdorfer eines Tages erkrankte und in Konkurs geriet, wurde, weil das Gerücht
entstund, der gesundheitliche und wirtschaftliche Verfall Reichelsdorfers sei auf die Beseitigung des Steinkreuzes zurückzuführen,
der Stein von dem Ewerber des Grundstückes, der die Scheune vergrößern ließ, der Mauer entnommen und wieder an seinen alten
Platz verbracht und aufgestellt. Ein anderes ungefähr einen Kilometer östlich von Weiterndorf bei Roßtal befindliches radförmiges
Steinkreuz, das bis zum Jahre 1936 mit Erde bedeckt und mit Gras überwuchert war, sollte von einigen Mitgliedern der Deutschen
Steinkreuzforschung wieder aufgestellt werden. Als man sich zu diesem Zweck von dem Maurer Johann Leonhard Laux das
erforderliche Werkzeug zum Ausgraben borgen wollte, lehnte er dieses Begehren unter Hinweis darauf, daß es beim Steinkreuz
nicht recht geheuer sei, ganz entschieden ab. Wie nachträglich festgestellt wurde, hatte Laux vor vielen Jahren das Kreuz
umgeworfen und teilweise zerschlagen; um die Trümmer für eine Mistgrube zu verwenden, aber aus Angst, weil es dort umgehe,
die völlige Vernichtung unterlassen.
(Seidenstücker, Gustav - Geschichte und Bedeutung einer alten Steinkreuzsage, in: Das Steinkreuz, Jahrgang 10, 1950, Heft 1/2, S.20-28)
Immer wieder hört man von seltsamen Erscheinungen, die willkürlich von ihrem Platz fortgeholte und ihrem
Zweck entfremdete Steinkreuze bewirkt haben sollen: es spukte, rasselte und schrie im Haus, bis der Stein wieder auf seinen alten Platz gebracht war.
(Losch, Bernhard - Die Steinkreuzsagen, in: Steinkreuz in Südwestdeutschland, 1968, S.108-109)
Der Gedenkstein bei Demitz
Unweit des Dorfes Demitz befindet sich ein Stein mit einem eingemeißelten Kreuze, wie man deren mehrere an den Wegen der
Bergwälder antrifft, wohl zum Andenken an einen jähen Unglücksfall errichtet, der vor langen Jahren dort geschehen sein mag. Diesen Stein hob man einst
aus und trug ihn hinweg von seinem Standorte, um ihn zum Bau einer Brücke zu verwenden. Da aber ließ sich allabendlich an dem Punkte, wo der Stein
gestanden, ein kägliches Wimmern vernehmen. Dieses hörte nicht eher auf, bis der Stein mit dem Kreuze wieder an seine alte Stelle gebracht und aufgerichtet
worden war.
(Meiche, Dr. Alfred - Sagenbuch des Königreichs Sachse, Leipzig 1903, S.258, Nr.335)
2. Im sog. Bühl bei Wurmlingen (Rottenb.) stand ehedem ein steinernes Kreuz. Dort soll
ein herumhausierender Mann das Knopfmacherle umgebracht worden sein. Der alte Ulmer nahm das Kreuz mit herein und machte einen Dängelstein darauß. Von
dort an rumpelte es so in seinem Hause, daß es grausig war. Der Ulmer that den Stein wieder dorthin, wohin er gehörte und hatte von nun an Ruhe. Fremde lutherische
Schnitter begrub man im Felde.
(Bierlinger, Anton - Aus Schwaben. Sagen, Legenden, Aberglauben, Sitten, Rechtsbräuche, Ortsneckereien, Lieder, Kinderreime, Wiesbaden 1874, Band I, S.287, Nr.313.2)