Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
"Wer den Pfälzer Wald kennt, kennt auch Johanniskreuz," schreibt E. Bildfinger in
seiner fleißigen Monographie "Johanniskreuz, eine Pfälzerwaldgeschichte", Kaiserslautern 1904 (Thieme), S.3. Es ist ein
interessantes Stück Geschichte, Waldgeschichte, politischer (heimatlicher und allgemeiner) Geschichte und Kulturgeschichte, mit
dem "Johanniskreuz" in Berührung bringt. Erst wer diese Geschichte von und um Johanniskreuz kennt, darf im vollen Sinne des
Wortes sagen, er kenne Johanniskreuz.
Uns hat zur etwas eingehenderen Beschäftigung mit "Johanniskreuz" und dem erneuten Studium des
genannten Buches ein Aufsatz die Anregung gegeben, den M. Raich in der zu Mainz erscheinenden "Zeitschrift für katholische
Wissenschaft und kirchliches Leben", der Katholik 1904, 3. Folge, Band 29, Seite 42-54 unter Beigabe mehrerer Illustrationen
veröffentlicht hat und der den Titel führt: "Die sog. Kreuzsteine". Raich ist nicht der erste, der diesen Grenzsteinen besondere
Aufmerksamkeit zugewendet hat. Schon lange sind die Forscher ihnen nachgegangen, so daß eine ziemlich verzweigte, allerdings
auch recht verstreute Literatur über sie besteht. Sie findet sich auch zum guten Teil zitiert in dem genannten Raich'schen Artikel.
Doch sei zu dessen Ergänzung besonders noch hingewiesen auf den Abschnitt, den der Thüringer Pfarrer Dr. Heinrich Bergner in
seinem höchst instruktiven, prächtigen Werke "Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in Deutschland", Leipzig 1905 (Tauchnitz),
S.265 ff., aus vollster Sachkenntnis heraus, zugleich mit Verweis auf manche von Raich nicht erwähnte Literatur, unserem
Gegenstande gewidmet hat. Vielleicht dürfte es die, die einmal in Johanniskreuz gerastet, aber auch manchen anderen interessieren,
etwas zu erfahren über die frage, was es denn mit dem Kreuze dort, seinem Namen, seiner Aufrichtung, seiner Bedeutung, seiner
Geschichte für eine Bewandnis habe. Diesem anspruchslosen Zweck wollen die folgenden Zeilen dienen. Voran ist zu bemerken, daß
es sich nicht so sehr handelt um das die Besucher zunächst ins Auge fallende Kreuz; dieses wurde, wie die Inschrift lehrt, samt
Postament erst im Jahre 1831 errichtet und im Jahre 1863 "renoviert", d.h. durch das jetzige eiserne (anstelle des zerfallenen
steinernen) ersetzt -, sondern um das ursprüngliche, älteste Steinkreuz daselbst, das, eine günstige Fügung, zur Seite des neuen
und eines gleichfalls als Ersatz des alten 1769 errichteten zweiten noch vorhanden ist. Das Wann und Wozu dieses: das eben ist die
Frage, um die es geht. Bilfinger, der Geschichtsschreiber von Johanniskreuz, hat bereist darauf hingewiesen, daß solche Kreuze wie
das von Johanniskreuz, die wohlbemerkt mit den liturgischen Kreuzen, Kruzifixen und
Prozessionskreuzen nicht zu tun haben, in der Pfalz mehrfach vertreten sind. Es ist an sich zur Erklärung des in Johanniskreuz
gesetzten Kreuzes richtig, daß auch in der näheren und nächsten Umgegend, nahezu in allen an Johanniskreuz angrenzenden
Waldungen das Kreuzeszeichen sich befand und sich findet. Die alten Grenzbeschreibungen nennen es in der Frankenweide, im
Annweiler Bürgerwald, im Lauberwald, im Trippstadter- und Stüterwald. Und es befindet sich z.B. heute noch auf dem sog. Weißen
Stein an der Straße von Johanniskreuz nach Heltersberg an der Grenze des Lauber- und Hornbacher Waldes uff. (B.65f.). Freilich
ist zu beachten, daß in allen diesen Fällen das Kreuz, einzeln oder mehrfach, in einen Felsen oder Stein eingehauen ist, und daß
doch wohl ein Unterschied besteht zwischen diesem Kreuz und einem als Kreuz formierten Stein. Doch gibt es sonst noch in der
Pfalz eine ganze Reihe von wirklichen Kreuzen, deren Ursprung und Bedeutung im einzelnen sehr verschieden sein kann und in
jedem Fall besonders festzustellen ist, die immerhin mit dem von Johanniskreuz und unter einander ohne weiteres dies gemeinsam
haben, das sie mit dem katholischen Kultus in keiner Art zusammenhängen. So nennt Bilfinger ein steinernes Kreuz bei dem
Forsthaus Schwarzsohl, das sog. Torstensonkreuz bei Hochspeyer,
das von Becker so genannte Rote Kreuz auf der Straße von Hanhofen nach Geinsheim, das steinere Kreuz westlich von
Stetten bei Kirchheimbolanden ohne Zahl und Wappen, das Königskreuz bei
Göllheim zur Erinnerung an den im Jahre 1298 dort gefallenen König Adolf von Nassau,
das Kreuz bei Winnweiler, der Sage nach errichtet von einem Ritter, der durch das
Stillstehen seines Pferdes in der Nacht von hier vor einem Sturz in die Tiefe bewahrt wurde, das Lambertskreuz
bei Weidenthal, im Zweibrücker Handbuch von 1828 das Lambrechtskreuz genannt, den der Stelle der Hochstraße, wo der Weg von
Lambrecht heraufkommt, mit dem bekannten Jesuitenzeichen JHS und dem Abtstab. Sicherlich kann, meint Bilfinger mit Recht (95)
diese Liste noch ergänzt werden, da, wenn auch die Kreuze selbst verschwunden sein sollten sie Erinnerung an ein früheres Kreuz
sich oft in den Namen erhalten hat.
Die Verbreitung, welche die Kreuzsteine in den verflossenen Jahrhunderten gehabt haben, findet
keineswegs ihre Grenze bei den Grenzpfählen unseres Landes; sie geht vielmehr - und das ist das besonders Interessante - weit
darüber hinaus. Diese Kreuzsteine trifft man bis hinab nach Italien und bis hinauf nach Schweden und Norwegen und zu den
Shetlandinseln (nördlich von Schottland), vom badischen Hegau bis hinüber nach Böhmen und Schlesien. Sie begegnen da in
manchen Gegenden außerordentlich zahlreich. Die "Deutschen Gaue" (Herausgeber Kurat Frank
in Kaufbeuren) zählen neuestens (Bd.3, 1902) zirka 150 Orte allein in Schwaben auf, woselbst Kreuzsteine erhalten sind. Und Raich,
dem wir letztere Angaben entnehmen, fand selbst im südwestlichen Oberbayern 68 Orte mit Kreuzsteinen.
Was wollen oder was sollen diese monolithen Kreuze? Auf diese Frage nach ihrem Zweck, nach der
Ursache ihrer Aufrichtung, nach ihrer Bedeutung gibt uns gleich das älteste unter den datierten, die erhalten und bekannt sind,
richtigen und unzweideutigen Aufschluß. Es ist dies ein Kreuzstein zu Warnissen
in Hannover aus dem Jahre 1260, gesetzt zur Sühne für einen begangenen Mord. Dem Kreuzstein als Mord- und Sühnekreuz
begegnet man aber sehr häufig. Auf einem Kreuz bei Erfurt z.B., an der Straße
nach Arnstadt aus dem Jahre 1313, bezeichnet die Inschrift ganz klar den Charakter als Mord- und Sühnekreuz: Hic es occisus
magister Henricus des Sybeleiben sacerdes. (Hier wurde der Priester Meister Heinrich von Sybeleiben ermordet); es geschah durch
den Grafen Heinrich von Schwarzburg, der auch das Kreuz errichtete. "Aehnlich auch das Kreuz vor St. Marien in
Berlin für den hier vom Volk erschlagenen Probst Nicolaus von Bernau von 1335"
(Bergner, 366) und so gibt es eine ganze Menge von Kreuzen dieser Gruppe; sie sind "entweder ganz schmucklos oder nur mit der
Mordwaffe (Schwert, Dolch, Beil, Lanze, Pfeil, Hammer) oder mit dem Geräte des Gemordeten (Pflugschar, Kelle, Löffel, Schere,
Schild, Winzermesser, Spaten) oder mit dem Bild des Ermordeten bezeichnet" (Berner, ebenda). Es wäre möglich, daß auch die
Pflugschar und anderes gleich Schwert u.s.f. das Mordwerkzeug darstellt. So berichtet Raich, daß an dem Kreuzstein mit der
Jahreszahl 1449 bei Unterhausen unweit Weilheim sich die alte Sage knüpft,
es sei auf dem angrenzenden Acker ein Bauernbube von seinem eigenen Vater mit einem Ackergeräte (Pflugschar) tot geworfen
worden. Wie dem aber auch sei, die Sprache der Denkmäler selbst in Bezug auf die Hauptsache, nämlich daß sie gesetzt sind zur
Sühne eines Mordes ist klar. Was aber die vorhandenen Kreuze selber bezeugen, das bestätigen eine Reihe literarischer Zeugnisse.
So hören wir aus dem Jahre 1065, dass der Landgraf Ludwig II. von Thüringen, der den Pfalzgrafen Friedrich meuchlings
niedergestoßen, selber einen Blutstein setzte, darauf an der einen Seite das Mordinstrument, ein Spieß, auf der anderen Seite eine
Inschrift: Anno Dni 1095 hic comes cecidit Palatinus Fridericus, hunc prostravit comes Ludovicus. Namentlich aber zur Zeit der
Totschlagsühne (14.-16. Jh.) wurde sehr häufig, sei es gerichtlich, sei es durch Vergleich, dem Täter neben andern Bußen die
Auflage gemacht, für sein unglückliches Opfer einen Kreuzstein errichten zu lassen. Beispiele geben Bergner und Raich aus dem
15. und 16. Jahrhundert; ein Mal, in einer Urkunde von 1550, wird für Totschlag einer Vermögenslosen kein Kreuzstein, sondern
"ain Hültzen kreuz mit unseres Herrn und auch unserer lieben Frauen und sandt Johannes Pildnuß" zu setzen gefordert.
Neben diese Mord- und Sühnekreuze tritt nun eine andere, wohl die zahlreichste Klasse von Kreuzsteinen,
die an irgend einer Unglücksstätte, resp. am nächstgelegenen Weg oder sonst einem geeigneten Platz errichtet wurden. Es sind
Gedächtniskreuze, Kreuze der Erinnerung an Verunglückte, jählings Verstorbene, vom Blitz erschlagene u. dergl. (A.D. 1480 fiel
lorentz brun von ein pferd zuo todt) steht auf einem Steine zwischen Schmira und Stedten bei Erfurt. Und ähnliche Beispiele ließen
sich zu Hunderten namhaft machen". (Bergner, l.c.). Es ist hierin dieselbe Sitte geübt, die sich in den "Marterln" des Hochgebirges
bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Wenn sich an manchen Orten zuweilen mehrere Kreuzsteine bei einander finden, so erklärt
sich das am einfachsten wohl daher, daß die betreffenden Kreuze für verschiedene Verunglückte desselben Orts an einer dafür als
besonders passend angesehenen Stelle gesetzt werden.
Eine weitere, jedoch recht kleine Gruppe, bilden die von Bergner so genannten Siegeskreuze, die man
auf Schlachtfeldern errichtete. So bezeichnete man durch ein großes Steinkreuz die Schlachtstatt bei Seckenheim, wo Friedrich
von der Pfalz im Jahre 1462 siegte; ein Abbild bewahren die Sammlungen des Mannheimer Altertumsvereins. Hierher gehört ferner
das Kreuz bei Göllheim, das die Verwandten dem 1298 dort gefallenen Kaiser Adolf
von Nassau errichteten, mit crucifixis und Wappen, sowie das
Steinkreuz Konrads von Lichtenberg
bei Freiburg im Breisgau. Doch darf in allen diesen Fällen der Kreuzstein
nicht etwa als Grabstein angesehen werden. Das gilt namentlich gegenüber der sagenhaften volkstümlichen Ueberlieferung, welche
vielfach unter den Kreuzen Massengräber aus der Schweden- und Franzosenzeit vermutet. Gegen diese Annahme spricht der
Mangel aller geschichtlichen Beweise. Es sprechen für ihre Unmöglichkeit zumeist auch schon die Jahreszahlen der Kreuzsteine.
Außerdem hat man z.B. in Schwaben niemals Gebeine unter den Kreuzen gefunden. Eine Ausnahme ist es daher, wenn ein
Steinkreuz mit entsprechender Inschrift über dem Grabe der am 27. Juli 1361 bei Wisby von den Dänen getöteten Gothländer
errichtet und wenn ferner das Massengrab der bei Sempach am 9. Juli 1386 Gefallenen mit kleinen Steinkreuzen abgegrenzt wurde.
Immerhin ist denkbar, daß Einheimische zur Erinnerung an Angehörige, die von den Franzosen oder Schweden getötet wurden, an
der Todesstätte einen Kreuzstein errichteten, während die Leichname im Kirchhofe beerdigt waren." (Raich, 52).
Diesen drei bisher unterschiedenen Klassen von Kreuzsteinen gesellt sich nun eine wichtige vierte und
letzte, die der Kreuzsteine als Grenz- und Hoheitszeichen. Grenz- und Hoheitszeichen, welche ohnehin im dutschen Recht eine Art
religiöse Wertschätzung genossen, mache man, sagt Bergner S.366f. noch kräftiger durch das Kreuz, das Symbol alles Rechts. So
sind die merkwürdigen Steingebilde (Sau, Jungfrau, Bär, Mönch etc.), welche um 1148 den Bezirk des Augustinerklosters am Zobten
eingrenzten, mit Grenzkreuzen versehen. Anderwärts und später allgemein ist diesen Grenzsteinen auch Kreuzform gegeben und
irgend ein Hoheitssymbol (Bischofsstab, Schwert oder Rad als Zeichen der Gerichtsbarkeit über Hals und Hand, und wir fügen dazu:
Wappen) daraufgesetzt worden. Hierdurch berührt sich die Gattung formell aufs nächste mit den Mordkreuzen. Zur näheren
Bestimmung muss man dann immer prüfen, ob der Standort eine alte Grenze, das Weichbild einer Stadt, den Blutbann einer kleinen
adligen Herrschaft, eines Klosters u. dergl. bezeichnet. Auch finden sie sich häufig an alten Gerichtsstätten, auf Hügeln unter Fehm-
oder Dorflinden und alternieren dadurch mit den städtischen Rolanden.
In welche von den vier Klassen von Kreuzsteinen gehört nun der von Johanniskreuz?
Hätte die Volkssage, die sich daran knüpft, Recht, so wäre es ein Grabkreuz aus dem 30jährigen Krieg. Die Sage von Johanniskreuz
erzählt nämlich, es sei hier ein schwedischer General begraben, der nach dem auf die Schlacht bei Nördlingen 1634 erfolgten
Rückzug der Schweden im Jahre darauf hier ein einsames Grab gefunden habe. Wir haben oben bereits gesehen, wie unbegründet
jede derartig unsere Kreuze mit dem Schwedenkriege verbundene Kombination ist. Für das Johanniskreuz wird sie direkt widerlegt,
indem dieses in noch vorhandenen Grenzbeschreibungen bereits vor dem 30jährigen Krieg genannt ist (i.J. 1533 zum ersten Mal,
Bilfinger S. 13, 49, 73). Was ist es denn nun? Die eingehende Prüfung, die Bergner in jedem einzelnen Falle zur Feststellung der
näheren Bestimmung eines Kreuzsteines fordert, hat Bilfinger unternommen mit dem Erfolg, bis zu höchster Wahrscheinlichkeit
dargetan zu haben, daß das Johanniskreuz unter die Rubrik der Grenz- und Hoheitszeichen gehört. zunächst ist konstatiert, daß das
Kreuz in dieser Gegend, in allen an Johanniskreuz angrenzenden Waldungen, das von altersher und allgemein gebrauchte
Grenzzeichen war. Freilich besteht, wie oben schon hervorgehoben, ein Unterschied zwischen einem auf einem Felsen nur
eingemeißelten Kreuzeszeichen und einem förmlichen Kreuzstein, und dieser Unterschied liegt hier vor. Doch kann Bilfinger zwei
Fälle anführen, wo ein Kreuz innerhalb der heutigen Pfalz als solches Grenz- und Hoheitszeichen war (bei Ramsen und bei
Alsenborn, S.97). Aus den auf dem ursprünglichen Johanniskreuz sich befindenden
Wappen, von denen das auf der Kreuzverzierung als das der Ritter von Hohenecken erkannt ist, während in dem auf dem Kopf und
den beiden Armen des Kreuzes dreifach vertretenen Wappen mit gutem Grund das bis jetzt unbekannte der ältesten Ritter von
Wilenstein vermutet wird, im Zusammenhang mit einer Reihe geschichtlicher Indizien kommt Bilfinger zu dem Schluß, daß auch das
jetzt so genannte Johanniskreuz im ersten Halbjahr 1273 von dem Reichsritter Reinhart von Hohenecken zur Bezeichnung seines
Zoll- und Geleitsrechts bezw. der Hoheneck'schen Zoll- und Geleitsgrenze errichtet wurde; nachträglich, aber fast im gleichen Jahre
hätte dann der Ritter Johannes von Wilenstein, dessen Name hernach sogar für das Kreuz bestimmend wurde, sein Wappen
(dreifach) darauf angebracht zur Wahrung seiner Rechte und Grenze gegenüber denen von Hohenecken. Absolut ist der Beweis
nicht, so wird man z.B. doch noch fragen müssen, ob es möglich war, dass die Wilensteiner ohne weiteres auf das Kreuz der
Hohenecker setzten. Aber im ganzen ist der Beweis meines Erachtens so überzeugend, als ein Indizienbeweis nur sein kann.
An Stelle des alten Kreuzes trat 1769 ein neues, und beide, obwohl noch erhalten, wurden im Jahre 1831 durch das jetzt aufrecht
stehende 1863 "renovierte" ersetzt.
Wer sollte meinen, wenn er die schlichten alten Steine dort leigen sieht, daß so viel interessante Fragen
und Antworten sich daran knüpfen? Schließlich aber bleibt das Erfreulichste daran doch dies, daß es nun eine, wie vielseitig auch
immer, geschichtliche Bedeutung ist, die heute dem Johanniskreuz noch zukommt. Das alte Kreuz ist gefallen, und die Grenze, die
es markierte, auch. Vergangen ist die unselige Zersplitterung der deutschen, auch der pfälzischen Gaue, und statt der engen
drückenden Ritterherrlichkeit genießen wir frei die Herrlichkeit des einen weiten deutschen Vaterlandes.
(Dr. Stuhlfauth - Johanniskreuz und andere Kreuzsteine, in: Pfälzische Geschichtsblätter, 1.Jg. 1905, S.60-62 und 67-68)
Für die meist inschriftlosen mittelalterlichen Steinkreuze hat sich der Begriff "Sühnekreuz" eingebürgert, der
davon abgeleitet ist, dass solche Kreuze als Sühne für einen Mord oder Totschlag aufgestellt wurden, um die sonst übliche Blutrache
abzuwenden. Ein Sühnevertrag regelte das "Seelgerät" für den Verstorbenen, die Entschädigung der Hinterbliebenen und die
Rehabilitation des Täters – Gedanken wie wir sie im "Täter-Opfer-Ausgleich" des modernen Strafrechts wieder finden.
In unserem Landkreis ist allerdings kein Kreuz bekannt, für das sich der entsprechende Sühnevertrag zuordnen ließe. Dafür
gibt es eine breite Palette von Sagen, die mit diesen Kreuzen in Verbindung gebracht werden. Während oft davon berichtet wird, die
Zeichen auf den Steinkreuzen seien die Mordwerkzeuge, ist sich die Wissenschaft heute weitgehend einig, dass es sich um Symbole
handelt, die auf den Beruf des Getöteten hinweisen.
Durch das Inkrafttreten der "Constitutio Criminalis Carolina" von 1532, der Peinlichen Halsgerichtsordnung Karls V., wurde der
Brauch, Sühneverträge zu schließen, durch staatliches Strafrecht abgelöst. Die Sühnekreuze müssen demnach älter sein und gehören
zu unseren ältesten Kleindenkmalen. Mit der "Carolina" hört die Errichtung von Sühnekreuzen auf. Doch ist nicht auszuschließen, dass
auch in späterer Zeit Steinkreuze zum Gedenken an Unfälle aufgestellt wurden.
Andere Errichtungsursachen, die gern diskutiert werden, ist die Funktion der Kreuze als Grenzstein, als Wegweiser oder zur
Erinnerung an eine aufgelassene Kapelle oder einen alten Friedhof.
Seit dem späten 19. Jahrhundert hat sich die Forschung mit diesen Kreuzen beschäftigt. In der Zeit zwischen den beiden
Weltkriegen entstanden die ersten Inventare der Steinkreuze. Seit 1933 gibt es sogar eine spezielle Fachzeitschrift zur deutschen
Steinkreuzforschung,"Das Steinkreuz".
Für die Pfalz gab es zunächst nur verstreute Hinweise auf einzelne dieser Kreuze, bis Fred
Weinmann diese in angemessener Form im Pfalzatlas allgemeiner bekannt machte und 1973 ein Inventar herausgab. Bis etwa
1980 erschienen auch in anderen Bundesländern solche Inventare. Danach wurde es wieder still um diese Kleindenkmäler, – und
außer den örtlichen Heimatforschern wusste kaum jemand über sie Bescheid.
Umso erfreulicher ist es, dass die Steinkreuze jetzt Eingang in die modernen Medien gefunden haben. Bei der Internetseite
www.suehnekreuz.de hat sich eine stets wachsende Gemeinschaft von Heimatkundlern und Chronisten zusammengefunden, die ihre
Erfahrungen quer durch die Republik austauschen.
Im Folgenden sollen die Steinkreuze unseres Landkreises in Kurzform von Nord nach Süd beschrieben werden. Die meisten
dieser Kreuze wurden würdevoll in die Gestaltung kleiner Grünanlagen einbezogen – andere stehen an verborgener Stelle unbeachtet
am Wegesrand.
Die bekannteste Steinkreuzgruppe der Pfalz steht beim Johanniskreuz,
bis wohin sich einst der frühere Amtsbezirk von Bergzabern erstreckte. Das möglicherweise aus dem 13. Jahrhundert stammende
Grenz- oder Geleitkreuz wurde mehrfach erneuert. Um 1960 wurden drei Kreuze aus verschiedenen Jahrhunderten zu einer kleinen
Grünanlage gestaltet.
Die Volkssage bringt das Kreuz in Verbindung mit einem edlen Herrn Johannes, der hier gewaltsam zu Tode kam.
Eine weitere Steinkreuzgruppe stand bei Kirrweiler, etwa 100m
westlich vom Friedhof. Zwei der Kreuze wurden leider gestohlen. Das dritte wurde als Grabkreuz auf den Friedhof verbracht, um es
vor dem gleichen Schicksal zu bewahren.
Ein weiteres Steinkreuznest mit drei Sühnekreuzen findet sich östlich von Gleisweiler.
Bei zwei Kreuzen ist ein Arm abgebrochen; bei einem ist ein Sesel als Winzerzeichen eingemeißelt. Die Kreuze sollen an die
historisch nicht belegte "Seselschlacht" erinnert, bei der die Bauern bei einem Weidestreit ihre Sesel als Waffen benutzten.
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