Steinkreuze in der Volksmedizin
Die an dem Kreuzstein in Schwabmünchen vorhandenen Löcher sind
vermutlich auf den gleichen Ursprung zurückzuführen, wie ich das bei einer ganzen Anzahl von Kreuzen festgestellt habe: Das durch Ausschaben gewonnenen
Steinmehl diente früher zu Heilzwecken (Vertreibung des Fiebers, Schutz vor der Pest usw.), in die Löcher wurden ferner Krankheiten "hineingepustet", damit
sie verschwinden sollten. Diese Näpfchen sind ganz regelmäßig hergestellte Löcher von 1-2cm Tiefe.
(Deutsche Gaue, Band IX, 1908, S.163)
Anweisung, das Vieh schnell zu mästen
Dieses sollen die Bauern zu Bürkheim [= 5449 Birkheim über Kastelaun] in der Churpfalz ausgeschlauet haben. Es war ein dasiger Wunderaltar dafür
berühmt worden, daß seine Erde dem Vieh sehr wohl bekäme. So oft daher die Bauern wallfahrteten, so schabten sie jedesmal eine Porzion davon ab, und
mengten sie dem Vieh unter das Futter; sie würden auch ohnfehlbar endlich den ganzen Altar verfüttert haben, wenn es ihnen nicht bekannt gemacht worden
wäre, daß der Altar aus Gypsstein bestünde, und jeder andrer Gyps gleiche Wirkung thun würde. Die Bauern ließen sich weisen, und dadurch ist der Altar
glücklich gerettet worden.
(Noth- und Hülfsbüchlein für Bürgers- und Bauersleute. Worinnen für beide Stände sehr viel Lehrreiches, den Karakter
Bildendes, und für die Land- und Hauswirthschaft Ersprießliches zu finden. 6.Band, Grätz [= Graz], bei Franz Xaver Miller, 1793, S.196.)
Volksmedizinische Bedeutung wird wohl auch das Armeabschlagen gehabt
haben, denn nach alter Überlieferung mußte zu mitternächtlicher Stunde ein Stück vom Kreuz (bevorzugterweise der Arm) abgeschlagen werden. Dies trug man dann
nach Hause und legte es dem Kranken aufs Herz (Bann innerer Krankheiten).1) Ob die vielen abgetrennten Kreuzbalken in der Oberpfalz von
dieser Sitte herrühren, kann keineswegs mit Bestimmtheit gesagt werden. [...]
1) L. Wittmann - Steinkreuze im Volksglauben, in: Das Steinkreuz, Nr.2, 1934, Heft 2, S.3-5
(Schmeissner, Rainer, H. - Steinkreuze in der Oberpfalz, 1977, S.324)
[...] Die "Märzflecken" (Sommersprossen) vertreibt man sich in der Nordschweiz damit, daß man sich mit dem Regenwasser wäscht, das sich auf Leichensteinen gesammelt hat.
(Busch, Moritz - Deutscher Volksglaube, Leipzig 1877,S.168)
[...] Ausserdem bat man die Näpfchen mit dem Aberglauben in Verbindung gebracht. Alles, was mit der Kirche
zusammenhängt, ruft in der Volksseele wunderbare Gefühle hervor, als wenn eine übernatürliche Macht in der Kirche walte. Man hat daher angenommen, dass die
Näpfchen gemacht worden seien, um das Fieber in die Kirche zu blasen, oder dass man Krankheitsträger hineingeklebt habe in das Innere der Kirche, die ein Feind
alles Bösen sei, oder endlich, dass man durch diese Vertiefungen die Kinder, die vor der Taufe gestorben waren, der Kirche "angesagt" habe, um dadurch die Nothtaufe
zu ersetzen. [...]
(Grempler, Dr. - Ueber Altertümliches in Bunzlau, in:
Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Enthält den Generalbericht über die Arbeiten und Veränderungen der Gesellschaft im Jahre 1893,
S.54)
Die Kreuzsteine in Sandau werden auch
"Kratzn"- oder "Warznstoa" genannt, weil der damit Behaftete, der die kranke Stelle an einem Kreuzsteine dreimal im Namen Gottes, des Vaters, Sohnes und Hl. Geistes
reibt, von der Krankheit befreit wird."
(Mitteilung Dr. Urbans an Professor Wilhelm.)
(Dreyhausen, Dr. Walter von - Die alten Steinkreuze in Böhmen und im Sudetengau, 1940, S.115, Nr.269)