Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze


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Steinkreuze im Kreis Gotha
Heinz Julius Rausch, Gotha

Die Vorgeschichte in ihrer Bedeutung für den Ursprung der Steinkreuze
im Kreise Gotha, ausgehend von den Untersuchungen Mogks und Kalliefes.

   In einer der wichtigsten Fragen der Steinkreuzforschung, einem Grenzgebiete zwischen Volkskunde und Geschichtswissenschaft, besitzen wir die Arbeiten von Professor Dr. Eugen Mogk in Leipzig über den über den Ursprung der sogenannten Sühnekreuze in den Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde 1) und von Hilmar Kalliefe in Berlin-Hermsdorf über das Rätsel der Steinkreuze im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 2). Im Anschluß an die letzte Untersuchung erschien ebenfalls von Kalliefe in der Zeitschrift für Ethnologie 3) die Abhandlung über Rad, Hammer und Schwert auf Sachsens Steinkreuzen. Weitere Quellenzeugnisse haben Mogk in seiner Auffassung des Ursprungs der Steinkreuzsetzung im Totenkult unserer Vorfahren bestärkt. Seine umfassende Darlegung über den Der Ursprung der mittelalterlichen Sühnekreuze sind in den Berichten über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-historische Klasse, veröffendlicht 4). Unter entsprechender Anwendung in- und ausländischer Literatur kam Mogk zu dem Ergebnis über den Ursprung der Sühnekreuze, das zusammengefasst a.a.O. (1929) S.27–28 lautet: "Allgemein verbreitet unter der Menschheit ist der Glaube an das körperliche Fortleben des Menschen nach dem Tode und die Angst vor seiner Wiederkehr, um den Lebenden zu schaden. Aufenthaltsorte der Toten auf ihren Fahrten waren die Kreuzwege, Ruheorte die Gräber oder die Orte, wo der Mensch den Tod gefunden hatte. Hier errichtete man im Steine, damit er in diesen wohnen, auf ihnen ausruhen könne. Auch dieser Steinkult ist weit über die Grenzen Germaniens verbreitet. Besonders germanisch dagegen scheint das Niederlegen von Weihegaben an den Scheidewegen zu sein, um dadurch Krankheiten zu heilen; wenigstens habe ich den Brauch bei keinem anderen Volk nachweisen können. Da kommt mit dem Christentum sie Sitte auf, an Stelle des einfachen Steines ein Steinkreuz zu setzen. So verschmolz in der Kreuzsetzung Volksglaube mit christlicher Symbolik, aber jener überwiegt und hält sich im Volke durch die Jahrhunderte. Daher setzte man die Steinkreuze besonders an den Kreuzwegen bzw. Weggabelungen oder in ihrer Nähe. Im Volksaberglauben war und blieb das Kreuz wie der Stein Aufenthaltsort, Ruheort der Toten, an dem man den Totenpflichten nachkam, um den Toten Ruhe zu verschaffen und schädigenden Wiedergang zu verhindern. Als dann die Kirche für sich das Recht in Anspruch nahm, in Mord- und Totschlagfällen mitzusprechen, und die aus altgermanischem Recht entnommene Sühne vorzuschreiben, führte sie das Seelengerät ein (Messen, Viglien, Pilgerfahrt usw.), wodurch den armen Seelen der Ermordeten Erlösung und Ruhe verschafft werden sollte. Zu diesem gesellte sich um 1300 auch das volkstümliche steinerne Kreuz. So wurde dieses zum Sühnekreuz. Im Laufe der Zeit ward dann im Volksbewußtsein die eigentliche Bedeutung der Kreuzsetzung vergessen, der Brauch blieb, aber eine neue Bedeutung wurde ihm unterlegt. Das Kreuz wurde Gedächtnismal an eine Person oder irgend ein wichtiges Ereignis, wie schon zeitig in Britannien; zum steinernen Kreuz gesellte sich das hölzerne und dies lebt vielfach in den Marterln und Bildstöcken fort. Man zog über das Kreuz den Grenzstrich und so begegnet man es zuweilen als Grenzzeichen, ist es aber nicht von Haus aus. Als Hexensammelplatz wurde es Wetterkreuz. Ach Gerichtsverhandlungen fanden hie und da an ihm statt. Wie auch dabei noch der alte Volksglaube vom Totenkreuz mit hineinspielt, zeigt die Dorfgerichtsordnung von Kalchofen, wo der Landknecht beim Steinkreuz das Halsgericht mit den Worten zu beschreien hatte: "Auf, ihr Lebendigen und Toten, kommt auf den und den Tag zum Halsgericht!" 5). Aber das alles sind erst spätere Entwicklungsstufen die neue kulturelle Verhältnisse geschaffen haben. Von ihnen darf die Kreuzsteinforschung nicht ausgehen, wenn man den Ursprung dieser alten Denkmäler verstehen will. Hier löst nur geschichtliche Betrachtung und eindringen in die Volkseele das Rätsel."

   Es soll gezeigt werden, inwieweit diese Voraussetzungen für die Steinkreuze des Kreises Gotha zutreffen. Als Aufenthaltsorte der Toten auf ihren Fahrten galten gleich den Steinkreuzen von jeher die Kreuzwege, weswegen man die Kreuze besonders an ihnen bzw. Weggabelungen oder in ihre Nähe setzte. Im Corrector des Burchard von Worms haben wir nach Mogk a.a.O. S. 21 die frühste Angabe der Tatsache, daß Steinkreuze und Scheidewege eng miteinander verbunden sind. Diese lebt im Volksglauben durch die Jahrhunderte fort bis in die Gegenwart. Wenn in den sogenannten Sühneverträgen ein Ort angegeben wird, so sollte das Steinkreuz entweder am Orte der Tat oder am nächsten Kreuzwege gesetzt werden. Da ebenfalls die Grenze im Volksglauben oft eine ähnliche Rolle spielte wie der Kreuzweg, sei auch auf die in der Nähe von Grenzen hingewiesen. So finden sich denn wie anderwärts in Deutschland und Skandinavien im Kreise Gotha neun von einundzwanzig noch erhaltenen Steinkreuzen an Scheidewegen, und 3 von 39 verschwundenen oder versetzten sind an ihnen nachweisbar 6). Vorhandene: hinter dem westlichen Ausgange Apfelstädts 7), auf der Höhe des Weinberges bei Aschara 8), nach Ausgang des Dorfes Burgtonna 9), am Rennstiege des Hainichs bei Craula 10), Am Nordente des Freiwaldes bei Friedrichroda 11), südöstlich von Ingersleben 12), am Ausgange von Kleinfahner 13), östlichen Ausgang von Seebergen 14) und endlich vor dem vor dem Wannigsrodaer Holz 15): verschwunden: zwischen Kleinfahner und Witterda 16), in Kindleben und bei Gotha 17).

   Der germanische Glaube, daß der Stein, der unter christlichen Einfluß zum Steinkreuz wurde, Ruheplatz und Aufenthaltsort der Seele eines Abgeschiedenen sei, dessen Körper an oder in der Nähe des Ortes beerdigt liegt, findet auch durch Steinkreuzsagen des Kreises Gotha hinreichend Bestätigung. Die Gemeinde Apfelstädt soll im dreißigjährigen Kriege zur Erinnerung an eine oberhalb des Dorfes vollführte Heldentat, wo ein Oberst dänischer Söldner angeblich begraben liegt, ein Steinkreuz haben setzen lassen 18). Auf der Nonne, einem Hügel am Wege von Bufleben nach Molschleben, stand ein Kreuz, unter dem eine Nonne begraben sein sollte 19). Ein altes Kreuz mit verwischter Inschrift befand sich bis zur Separation an der Tüngedaer Straße auf Wiegleber Flur, von dem erzählt wurde, eine ale Zigeunerin sei in Wiegleben gestorben, auf ihren Wunsch hin unter dem Kreuz begraben worden und habe prophezeit, solange ihr Körper ungestört dort ruhe, würde das Dorf vom Feuer verschont bleiben 20). Von dem Steinkreuz auf dem Lindenhügel bei Gotha wird berichtet, Napoleon soll dort einen General einstweilen haben begraben lassen 21); auch soll es ein Massengrab aus einem Kriege kennzeichnen 22). Ein Hirte aus Seebergen erzählte, daß unter dem bemoosten Kreuz an der Heiligen Lehne bei Seebergen ein Soldat begraben liege 23). Ebenfalls nach einer mündlichen Mitteilung an den Verfasser soll das Steinkreuz bei Laucha das Grabdenkmal eines Müllers von der nahen Riedmühle sein.

   Denjenigen, die eines unnatürlichen oder gewaltsamen Todes gestorben waren, keine Ruhe im Grabe fanden und daher nach dem Tode spucken, sich den Überlebenden zeigten und ihnen nicht selten schadeten, setzte man ein Steinkreuz, um ihnen nun einen Ruheplatz zu schaffen. Hieraus erklären sich die folgenden Sagen. Beim verschwundenen Langenhainer Kreuzstein irrte eine Seele, und zwar die eines verunglückten Reiters umher, welcher seinen Kopf unter dem Arm trug 24). Bei dem verschwundenen Teutleber Kreuzen östlich der Lauchaer Straße, sollte ein Schäfer erschlagen sein 25). Am Possenröder Kreuz bei Friedrichroda wurde angeblich einst ein Postillion getötet 26). Das Kreuz bei Eschenbergen soll zum Andenken aneinen Ritter errichtet sein, der dort ermordet wurde und dessen Küraß man auch ausgegraben habe 27). Die Sage berichtet ferner, als der Erbauer des Schlosses in Großenbehringen, ein Baumeister aus Treffurt sein Werk vollendet hatte und sich auf den Weg in seine Heimat machte, wurde er im Behringer Walde, wo jetzt das allerdings nicht ursprüngliche Baumeister-Kreuz steht, von einem Maurergesellen erschlagen, um ihn seines erhofften reichen Lohnes, der indes nur 6 Pfennig betrug, zu berauben 28). Das heutige Baumeisterkreuz stand bis 1858 an der alten Marktstraße von Großenbehringen nach Haina im Ungewitter, einer kleinen Wiese bei Bieberbach, das zum Andenken an einen Salzhändler errichtet war, der an dieser Stelle erschlagen wurde 29). Bei dem erwähnten Gothaer Kreuz soll ebenfalls ein Mönch eine Nonne erschlagen haben und ein Postillion soll dort in der Schwarzen Pfütze versunken sein 30). Mit einem Reiter brachte man auch das einst auf dem Wege von Apfelstädt nach Klein-Rettbach, beim Dornbusch, stehendes Kreuz in Zusammenhang 31). Zur dunklen Nachtzeit nötigte hier ein fremder Reiter einen Apfelstädter, mit leuchtender Laterne ihn nach Klein-Rettbach zu begleiten. Der geängstigte Bauer beabsichtigte durch einen Fluchtversuch dem ihn bald unheimlich erscheinenden Reiter zu entgehen. Er löschte deshalb die Laterne aus, um bei der Dunkelheit um so leichter entkommen zu können. Der raue Kriegsmann sprang ihm aber nach und brachte dem Fliehenden mit seiner Waffe den Todesstoß bei. An der betreffenden Stelle, wo man den Getöteten fand, setzte man jenes steinerne Kreuz.

   Der Volksbrauch denen, die eines unnatürlichen oder gewaltsamen Todes gestorbenen waren, Steinkreuze zu setzen, lebte in verblaßter Form besonders im Mittelalter und noch heute fort. Nach dem 3. März 1293 32) ist dem Gesetzmann Sigurd Brynjolfsson auf Hesthammer im südlichen Berghusamt in Norwegen ein Steinkreuz dort gesetzt worden, wo er ertrunken war 33). Im Kreise Gotha kündet die Inschrift des Steinkreuzes bei Ingersleben: "Hans Guttmannshausen von Töttelstädt ist durch sein eigen Schwert hier getödtet. 20. Junius anni 1687" 34). Das Ende Mai 1898 errichtete Kunstkreuz auf der Weghöhe von Apfelstädt nach Sülzenbrücken erinnert an den 18jährigen Bernhard Seitz aus Erfurt, der am 28. Juni 1897 an jener Stelle vom Rad stürzte und nach wenigen Stunden verstarb 35). Vor einigen Jahren wurde am Rande des Aspacher Holzes bei Gotha ein Sandsteinkreuz aufgestellt und gedenkt der am 18. Februar 1839 erfolgten Hinrichtung des Raubmörders Kästner aus Uelleben, der den Aspacher Schreinerlehrling Weiße umgebracht hatte 36).

   Das gelegentliche Vorhandensein eines Steinkreuzes auf der dörflichen oder städtischen Flurgrenze bestätigt noch präziser die Auffassung eines Teiles der Kreuze als Ruhesteine, worüber sich Professor Dr. Alfred Meiche in Dresden 37) ausgesprochen hat. Da heißt es im Hauptstaatsarchiv Dresden Loc. 8338 Grentz Reynungen usw. 1537. 38 Bl. 46. in Bezug auf die Landesgrenze, sie gehe "zue einem steinen kreutz, welches erwan einem toden gesetzt worden." Der "emordette tode, umb willschen sullich kreutz gesetzt worden", sei "auß befehlich eines amptmans die zceit in Pyrnaw (Pirna) aufgehoben und im ampt begraben worden". Die Hellendorfer Flurbeschreibung, erwähnt 1548 38), ebenfalls dieses "steinern creutze, do ein todter mahn ist aufgehoben und ins ampt pirn gefurtt worden". Meiche bemerkte a.a.O. S. 194 hierzu, dass es kein Zufall sei, dass jene Steinkreuze als Grenzmale dienen: der Ausdruck "einen Toten aufheben" erhelle uns deutlich den Zusammenhang. Wenn ein ortsfremder Leichnam in der Flur einer Gemeinde gefunden wurde, so erwuchsen dieser daraus allerhand Unbequemlichkeiten und Lasten (Verhöre, Bestattungskosten und dergleichen). Solche zu vermeiden, war das Bestreben der Eingesessenen. Darum stand man vor gar nicht so fernen Zeiten, wie alte Schiffer berichten, nicht an, Ertrunkene, die im sogenannten Pieschener Winkel an der Elbe unterhalb Dresdens landeten, mit einem kräftigen Stakenstoße wieder in das Flutwasser zu bringen, und so hielt man es anderwärts offenbar für angebracht, unbekannte Tote über die Flurgrenze zu schaffen. Natürlich konnte das nur mit Rücksicht auf die Flurnachbarn nur heimlich und nicht allzunahe am Orte geschehen. Die andere Gemeinde hegte dieselben Besorgnisse und übte wohl die gleiche Gewohnheit, und es erscheint gar nicht unmöglich, daß der Tote zuweilen seine Lagerstatt mehrmals wechselte, bevor amtliche Stellen von seinem Vorhandensein Kunde erhielten. Wiederum ist es ganz natürlich, daß bei wachsender Aufmerksamkeit der Nachbarn der Leichnam nur noch in der Nähe der Flurgrenze abgelegt werden konnte. Streitigkeiten bei Aufhebung eines Toten waren daher früher ganz gewöhnlich 40), und bevorzugt erscheinen solche Gemeinden wie Klein-Gießhübel (S Schandau) die1551 rügen können "ymandes ubel umbkome in unsern gerichten das gott nicht wolle, so gibet man kein aufhebe schock" 41); ähnlich Reinhardtsdorf, Klein-Hennersdorf und Schöna 42). So erklärt es sich ungezwungen, daß viele Mordkreuze an Flur- und Gerichtsgrenzen stehen; ebenso natürlich aber ist es, daß man auf sie, als wohlbekannte und voraussichtlich dauerhafte Kennzeichen, bei späteren Berainungen gern Bezug nahm. Schließt man sich nach Dr. Kuhfahl 43) dann noch den weiteren Ansicht Meiches, der die mittelalterlichen Steinkreuzsitte mit altgermanischen Bräuchen des Seelenglaubens und Totenkults in Verbindung bringt, so hätte man in solchen Kreuzen einen Ruhestein zu erblicken, de am Fundort der Leiche gesetzt wurde, um der irrenden Seele ein Asyl zu schaffen. Im Kreise Gotha steht auf der Schmira–Ingersleber Grenze ein Steinkreuz ohne linken Seitenarm neben einem Grenzstein mit kurmainzischem Wappen 44). Auf der Mark, gleichbedeutend mit auf der Grenze 45), wird der Flur Sundhausen zugehöriges Ackerland an der Boilstädter Grenze genannt 46), in dessen Nähe ein Kreuz stand, von dem das Sundhäuser Dorf- und Flurbuch 1641 47) sagt: "unter Boilstedt nicht weit vom Kreuze, bei Aschenbachs gelegen". Da sich das Steinkreuz bei Aschara mit seiner Breitseite genau auf der Flurgrenze von Aschara und Eckardtsleben erhebt, sieht man es in der Landbevölkerung als einen einfachen Flurgrenzstein, deren es ja, zumeist nur in anderer Form, allerwärts so viele gibt, an 48). Das Kreuz bei Laucha soll die Flurgrenze der Orte Laucha und Mechterstädt kennzeichnen 49), das in der Literatur noch nicht erwähnte Zwischen Boxberg und Wannigsrodaer Holz, die vor Emleben und Gospiterota, vgl. auch weiter unten die angeblichen Gerichtskreuze an der Rottleber auf der Großfahner-Dachwig-Gierstädter Grenze. –

   An Mogks Beweisführung des vorgeschichtlichen Seelen- und Totenkultes vom Jahre 1913 knüpfte Kalliefe 1918 in Bezug auf das gesamte Gebiet der Steinkreuze an. Er führt den Ursprung dieser Denkmale bis in die Christianisierungszeit, ja die Vorzeit der germanischen Länder, die Bedeutung ihres Standortes weit in die Vorgeschichte unseres Volkes zurück und deutete die Steinkreuze als Kultzeichen der alten Germanen. Daraufhin hat er dann 1920/21 den sächsischen Steinkreuzbestand eingehend untersucht. Die in beiden Darlegungen auf die Steinkreuze im Kreise Gotha anwendbaren Einzelheiten sind im weiteren Verlaufe dieses Darstellung herangezogen.

   Gerade bei solchen Vergleichen muß eine ausreichende Kenntnis des einschlägigen Schrifttums und der Oertlichkeiten vorsichtig zusammengehen, Andernfalls Mißdeutung nicht ausbleiben können. So heißt es an einer Stelle 50): Dort (in Georgenthal) 51) gibt es noch heute den "Hammerteich". Der Hammer aber war das Hoheitszeichen Thors, das in die heilige Eiche oder auf dem Stein-Obelisken (daher der Name Hammerteich) der Walstatt eingegraben war". Bei L. Gerbing 52) ist aber ersichtlich, daß die Bezeichnung Hammerteich und Hammerstein, vielmehr Hammerwand, niemals von dem Hoheitszeichen Thors, dem Hammer sondern von Eisenhämmern abgeleitet wurden. An dem 1557 urkundlich erwähnten Hammerteich, n.ö. vom Mühlteich, beim jetzigen Schützenhof stand ein 1557 anscheinend neuerbauter Eisenhammer bis zum Jahre 1757. Die Hammerwand, am Südosthang des Ziegelberges und am Knie nach dem Tambacher Grunde zu, ist ein steil abfallender Felsen und keineswegs ein "Stein-Obelisk". Der hier neben der Brücke 1658 erbaute und noch 1733 erwähnte Kreuzhammer, jetzt Schlösselsmühle, wurde nach einem steinernen Kreuze, auf das weiter unten noch zurückzukommen wird, benannt. Dieses erhob sich beim Neuen Weg und gab ebenfalls dem der Hammerwand gegenüberliegenden n.ö. Teil des Vitzerot den Namen Kreuzhammerkopf.

   Kalliefe zog bei der Altersbestimmung die auf den Steinkreuzen befindlichen Zeichen zu Rate, in denen sich sofort in weiterer Blick in eine viel frühere Zeit wie bisher angenommen eröffne. Eines von den auskunftsgebenden Zeichen sei das Radkreuz, das vierschenklige, gleicharmige mit einem Ring umzogene Kreuz. Sein Vorkommen von der Steinzeit an ist nachgewiesen 49). Ein Stein mit gestieltem Radkreuz in einer vorgeschichtlichen Umwallung bei Coolnaha South in Irland 54) weist die Form des Steinkreuzes auf, das seiner drei Kreuzarme bis auf wenige Spuren verlustig ging. Man könne nur für die Entstehungszeit dieses Zeichen auf den Steinkreuzen sagen, daß es vermutlich in die Vorzeit reiche. Sicher werde das dadurch, daß während der Christianisierung Kreuze gesetzt wurden, und notgedrungen noch zugesehen oder von vornherein zugelassen werden mußten, daß das Volk auch diesen Kreuzen ein heidnisches Zeichen aufprägte, unter anderem auch das Sonnenrad. Mit dem Sonnenrad fand sich die Kirche leicht ab, da es gleichfalls ein Kreuz und bereits von den ersten Christen aus dem Heidentum übernommen worden war. Die Erklärung als Andeutung der Hinrichtungsart eines Mörders sei ganz hinfällig , ebenso die Fuhrmannsunglücksfälle, deren Sage sich oft daran knüpft. Auch einem wahrscheinlich dem 16. Jahrhundert angehörenden Riß des Amtes Ichtershausen 55) ist "Das Creuz beym Tambach" am "weck nach Ohrdruff" links und am "weck nach Arnstadt" rechts eingezeichnet. Im Mittelpunkte dieses lateinischen Kreuzes befindet sich ein etwa ½ Zentimeter im Durchmesser betragendes Rad aus zwei Kreisen und vier mit jeweils zwei schmalen Strichlinien angedeuteten Speichen, die an den Rand eines kleinen Kreises endigen.

   Das Christentum hat bekanntermaßen mit all den heiligen Orten aufgeräumt, die zugleich Gräberstätten waren 56). Aber auch wenn man dem Volk die Heiligtümer zerstörte, den heiligen Berg konnte man nicht forttragen, der raunenden Quelle nicht verbieten zu fließen. Jedes Dorf hatte einen dieser Orte u.a. seinen Versammlungs- Gerichts- und Thingplatz, der den Göttern geweiht, vor der Christianisierung der Schauplatz heiliger Handlungen und Opfer war, die zweifellos ursprünglich mit den Gerichtsversammlungen verbunden gewesen wären. Da die Kirche nun die Gerichtsorte an ihrer Stelle beließ und nur die Opfer hinderte, blieb dem Platz sein Heiligtum bewahrt. Um ihn äußerlich gleichfalls christlich zu kennzeichnen, seien an Stelle der Steine oder eines Pfahles, an dem Schwert und Schild des Gerichtsherrn gehängt wurden, Steinkreuze getreten. Früher oder später baute sie an dieselbe Stelle eine Kirche, der die Steinkreuze weichen und mit einem Platz in ihrer Nähe vorlieb nehmen mußten. Andernfalls blieb der verchristlichte Kultplatz Gerichtsort und gab diese Bestimmung auch nicht auf, nachdem an seine Stelle ein Gotteshaus getreten war. Hierfür haben wir ein in fast allen Einzelheiten zutreffendes Beispiel, und zwar in Kindleben bei Gotha. Der von einem Kranz alter Linden umsäumte runde Hügel (Gerichtshügel; bey den gericht 1350 57), auch "Der Lindenhügel" genannt) neben dem heutigen Gasthaus ist nach Heß 58) offenbar ein künstlich aufgeschütteter vorchristliche Tumulus (Grab-, Totenhügel), den man früher irrtümlich als Kirchhügel ansah. Eine systematische Grabung, die hoffentlich recht bald einmal vorgenommen wird, kann hier nur entgültige Klarheit schaffen. Zur Beurteilung dieser Anlage sind die drei sogenannten Königshügel in Altuppsala, die einst für bloße Hügelgräber gehalten, aber sich als ein in die aufgeschüttete Erde eingebettetes Grab erwiesen und deshalb von der schwedischen Archäologie als ein Heiligtum zur Götterverehrung erklärt, von Wichtigkeit 59). Hier in Kindleben sind also allem Anschein nach vor der Christianisierung die ersten Ansiedler von Kindleben, das schon 874 als Kintigsleba in der Geschichte auftritt, zusammengekommen. Zur christlichen Kennzeichnung wurde an der Straßenkreuzung nach Langensalza und Kindleben ein Steinkreuz mit eingehauenen Schwert an die Stelle ehemaligen Galgens errichtet 60). Das Schwert des Gerichtsherren (von jeher das Sinnbild des Thinggottes Ziu), das vordem an einem Stein oder Pfahl befestigt war, wurde durch Einmeißelung auf das Kreuz übernommen. Da der Hügel als Untergrund für den Bau der Kirche ungeeignet war, wurde diese in unmittelbarer Nähe errichtet. Auf das Vorhandensein einer solchen können wir erst aus einer Urkunde von 1290 schließen 61). Das Kreuz konnte deswegen an seinem alten Platz verbleiben, und noch 1700 wurden die Sitzungen des Kindleber Gerichtes abgehalten. Das Steinkreuz verschwand nach Hey bzw. Lehfeldt 62) in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts. – In Kindleben war nicht nur die einzige mit einem Steinkreuz bezeichnete alte Gerichtstätte im Gothaer Lande. Diejenige im nordöstlichen Winkel der Flur Pferdingsleben, an der Rottleber Grenze, ist in der Flurbezeichnung "Auf der Fehmstätte" erhalten 63). Der Hügel wurde seinerzeit eingeebnet und das ihn kennzeichnende Steinkreuz "mit eingehauenem Kreuz auf der Oberseite" verbaut 64). Vor der Zusammenlegung hatte auf dem Gierstädter Galgenhügel auf der Großfahner–Dachwig–Gierstädter Grenze ein Steinkreuz von ¾ Meter Höhe seinen Standort 65). Ein Steinkreuz befindet sich auf dem Lindenhügel bei Gotha. Hält man dazu, dass die Linde vielfach als Gerichtsbarkeitszeichen diente und die Bezeichnung als Rabenstein, ebenso Zeichen der Gerichtsbarkeit, unter 22 auf einem Stich vom Jahre 1566 66) nach Volkland 67) in der Gegend des Lindenhügels zu suchen ist, so ist mit an die Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit der Lindenhügel als alte Richtstätte aufzufassen.

   Kalliefe deutete die Steinkreuze als Kultzeichen, Gerichts- und Opferplätze, wo einer einzelnen oder mehreren Gottheiten Verehrung entgegengebracht wurde. Die Standorte hätten meistens Umgebungen geboten, wie sie zur Gottesverehrung geeignet erschienen seien. So finden wir die Kreuze u.a. am Ausgange des Ortes. Am Ende des Dorfes Kleinfahner ist ein Steinkreuz von gotischer Formgebung an die Wand des Hauses Nr. 50 gelehnt. Hinter dem Dorfe Goldbach, nach Eberstädt zu, standen zwei Kreuze 68). Am Dorfausgang von Eckardsleben, nach Aschara zu, stand ein einfaches Steinkreuz 69). Handelt es sich um Angelegenheiten eines größeren Kreises, einer Hundertschaft, eines Gaues, so wählte man die Thing- und Malstätte auf einem heiligen Berge. Sie lag in den meisten Fällen wohl damals schon an öffentlichen Straßen. Bei Burgtonna soll sich ein Kreuz befunden haben, auf dem sogenannten Kreuzberg 70), "so in alten Catholischen Zeiten allda gestanden, also beniemet" 71). Ein weiteres Beispiel aus dem Kreise Gotha: Mit dem 1270 urkundlich erwähnten Freiwald wird ein etwa 840 Hektar umfassender Waldbezirk nordwestlich von Tambach bezeichnet, woraus seit unbekannter Zeit die sieben sogenannten Freiwalddörfer Siebleben, Tüttleben, Grabsleben, Pferdingsleben, Cobstädt, Uelleben (sämtlich gothaisch) und Tröchtelborn (preußisch) das Recht zum freien Bezug von Bau- und Brennholz haben. H. Heß hat in seiner scharfsinnigen Untersuchung "Der Freiwald bei Georgenthal" 72) nachgewiesen, daß der Freiwald einer Markgenossenschaft gleichzusetzen ist. Der zumeist aus vorgeschichtlicher Zeit herrührenden Markgenossenschaften bildeten sich bei der Besiedlung des Landes aus familienartigen Verbänden (Sippen) zwecks gemeinsamer Nutznießung einer Landstrecke (Mark). Das Verfügungsrecht sowie die Entscheidung in allen gemeinsamen Angelegenheiten hatte allein die Gesamtheit der Markgenossen. Regelmäßig wurde deshalb besondere Versammlungen, meist Märker ding (-thing) genannt, anberaumt und gleich anderen germanischen Volksversammlungen und Gerichten unter freiem Himmel, öfters auf einem freien Platze im Wald 73), abgehalten. Bei Irrungen war es erforderlich, die Grenze der Markgenossenschaft zu umgehen. "Ein solcher Begang glich den Jahreszügen der Gottheit durch das Land oder der Umtracht des Gottes durch die Fluren und bildete ein wahres Volksfest, dem die ganze Gemeinde fröhlich beiwohnte, wobei es nicht an Gelagen und Schmäusen, im Heidentum gewiß nicht an Opfern fehlte" 74). Im eingeschränkten Maße führte Heß a.a.O. S. 303–304 in Bezug auf den Freiwald bei Tambach an, daß 1896 "den Dörfern noch jetzt sie Verpflichtung zur Beherbergung und Verpflegung der herrschaftlichen, den Freiwald verwaltenden Forstbeamten bei ihren 'Umritten' obliegt." Liegt hier nicht der Gedanke nahe, den infolge der Christianisierung durch ein Steinkreuz bezeichneten Opferplatz auf der Höhe des Waldes und an einem Kreuzpunkte von Zugangswegen aus ältester Zeit, oder jene, an Markumgängen erinnernden Denkmäler, ebenfalls frühere Opferstätten, auch im Gebiet des Freiwaldes bei Tambach zu suchen? Wir dürfen deshalb mit Recht das Kreuz, an einem freien Platz am Nordende des Freiwaldes uns auch für die Freiwalddörfer neutralem Boden, mit der Inschrift des Ortsnamen Possenrot 75), jenes 1039 zuerst auftretenden, vielleicht ehedem zur Markgenossenschaft gehörenden, heute wüsten Dörfchen Bussonrot bei Friedrichroda 76), als Überbleibsel jener Zeit zu betrachten. Heß sagte 1896 am Ende seiner Abhandlung (S. 307), daß sich darüber, welche Dörfer ursprünglich die Mark bildeten, nur Vermutungen aufstellen lassen. Er wies darauf hin, daß in den Urkunden Siebleben und Tüttleben als Vororte erscheinen, daß die sämtlichen berechtigten Dörfer rund um den Seeberg liegen, an dass vielleicht auf diesem die ganze Umgegend beherrschenden Berge das alte Heiligtum stand, auf dem die ersten germanischen Ansiedler vereint ihren Göttern opferten und ihnen der gemeinsame Mittelpunkt nicht nur ihres Kultes, sondern auch ihres landsmannschaftlichen Bundes. Inzwischen hat sich durch Untersuchungen bewiesen, das der "Bergrücken eine einzige Begräbnisstätte der Vorzeit gewesen ist, die als solche den schnurkeramischen Hockern ebenso diente, wie alle den späteren vorzeitlichen Perioden bis in die Latènezeit hinein" 77).

   Wir haben deshalb auch im Seeberggebiet selbst Steinkreuze vermutet und eins von lateinischer Formgebung gefunden 78), am Ostabhang des alten Heiligtums des Seeberges, der Heiligen Lehne (Hinder der heiligen land 1424) 79), rechts an der Straße nach Wechmar. Es war allem Anschein nach verchristlichte Kennzeichnung der Reste eines Kalvarienberges (Schädelstätte), der Heilige Lehne, wodurch sich nach Berbig auch der Name jenes Flurteiles erklären lässt 80). Außer kleinen Funden von vorgeschichtlichen Gegenständen im Jahre 1868, dann im Sommer 1900 (zwei Herdgruben mit Knochen- und Gefäßresten 81) wurde in der Nachkriegszeit ganze Gräberfelder (auf 25 Quadratmeter rund 50 Gräber) der frühen Latène- sowie der Mittellatènezeit entdeckt 82). Gleich den Thing- und Malstätten auf einem heiligen Bege wurde sie nach Kalliefe an einem Wasserlaufe gewählt. Beim Tiefenbach in der Flur Emleben, auch an einem rechten Zufluß des Leinakanals, befand sich bis zur Separation ein Kreuz, unbekannt welcher Bedeutung. Der Flurname lautet "Bei dem Kreuzchen" und 1479 Bie dem steyne crucze, 1492 Bie dem crutze 83). Bei der Apfelstädtbrücke bei Georgenthal war beim Neuen Weg nach 1665 an der Straße ein "steinern Creuc" 84). Nach mündlicher Mitteilung stand ehemals am Feldwege nach Pferdingsleben bei Friemar, in der Nähe der Brücke über die Nesse, ein Kreuz.

   Gelegentlich der kurzen Erwähnung der Wallburg im Hainaer Holz sagt Florschütz über diese vorgeschichtliche Anlagen, "einige mögen überdies nicht als Zufluchtstätten, sondern dem Kultus gedient haben, wie die innerhalb der Wallburg errichteten Kirchen beweisen, wenn wir den Nachrichten folgen, daß die Heidenapostel mit Vorliebe das Kreuz an solchen Stellen errichteten, wo heidnische Kultstätten waren" 85). Und Kalliefe äußert in dieser Hinsicht:

a) All diese Weihtümer fand die Kirche und ihre Missionare in unserem Lande vor und musste oft die Zähigkeit fühlen, mit der die Bevölkerung an ihrem angestammten Glauben hing, so daß man die alten Heiligtümer bestehen ließ und durch ein christliches Zeichen dem neuen Glauben weihte. War der Platz von minderer Bedeutung, so hatte wohl das Setzen eines Kreuzes genügt.
b) Bei großen Heiligtümern möge manch Kloster oder manche Kapelle errichtet worden sein oder dm Setzen von Steinkreuzen gefolgt sein. Dieser letzte Fall liege überall dort vor, wo neben den Kirchen und Kirchhöfen oder in späterer Zeit in die Umfassungsmauer eingesetzt sich Steinkreuze vorfinden. Zu a haben wir das Beispiel gehabt. Im Hainaer Holz stand ein Steinkreuz im "Kessel" unweit des "Schlösschens", der vorgeschichtlichen Wallburg; es wurde vor einem Menschenalter von Holzhauern zerschlagen 86). b findet in dem Maltheserkreuz in der Umfassungsmauer der Kirche zu Döllstädt eine Bestätigung im Gegensatz zu vielen Steinkreuzen, die infolge ihrer äußeren Gestaltung unzweideutig zu erkennen geben, daß sie ursprünglich frei standen, späterhin aber erst eingemauert wurden. Weiterhin finden sich Steinkreuze vor Friedhöfen.

Im Kreise Gotha zwei Stück vor dem neuen Friedhofe in Seebergen, die mit dem heute verschwundenen nach Cobstädt hin nach Berbig 87) vielleicht an die Epidemien im 17. Jahrhundert erinnern sollen. Nun spielt die Heilkraft vieler Steinkreuze ins germanische Altertum zurück, und Wotan sandte die Seuche, konnte sie aber auch wieder hinwegnehmen. Manches Pest- oder Heilkreuz möge daher seine Bedeutung gar nicht erst aus der jüngsten Zeit haben, sondern nur jedes Mal wieder als Heiligtum gegen die Pest aufgefrischt worden sein.

   Weiter Ueberlieferungen weisen deutlich in die Vorzeit. Das eine Kreuz vor Schmerbach nennt man außer Schweden- auch Bonifazius-Kreuz 88). Da wir bei Schmerbach, das Lauchaer Kleeblattkreuz in der Richtung nach Deubach mit einer der ältesten Kirchen in der ganzen Umgegend weist, wird angenommen 89) das die Bewohner der Gegend von Laucha vielleicht in den ersten Jahrhunderten, als das Christentum Eingang gefunden hatte, nach Deubach (? 977 Dafdaho) 90) zur Kirche gegangen sind, wobei das Kreuz den Kirchweg angezeigt habe. Im "Buch", nach Crawinkel zu, ist noch der Name des Thadenkreuzes überliefert 91). Im übrigen wird auf die im ersten Abschnitt angeführten Steinkreuzsagen verwiesen, wo von Begräbnisstätten die Rede war. Kalliefe erkannte darin das Wilde Heer, das an bestimmten Tagen, in schaurigen finsteren Nächten von Waldvater Wodan in wilder Jagd durch die Lüfte über Kreuzweg, Stock und Stein geführt wird, bis es wieder schläft und auf seinen Tag wartet. Diese Sagen seien durch die Kriege im Mittelalter und der Neuzeit aufgefrischt und auf diese bezogen worden. Wie bei den Schwedenschanzen (vgl. Gr. Seeberg bei Gotha) 92) und den kleinen Hufeisen, den Schwedeneisen 93), sei es auch hier: neueren wichtigen Ereignissen sind die alten Sagen angepaßt worden.

   Auf die oben angeführten Grenzumzüge ist nochmals zurückzukommen. Sie erstrecken sich gewöhnlich bis an die Grenzen der Gemeinden, wobei an bestimmten Orten der Zug Halt machte und den Göttern ein Gebet oder eine Andacht gebracht wurde. Diese Haltestellen, heute durch Kreuze bezeichnet, waren damals an Steinen kenntlich, die später in Steinkreuze umgewandelt worden seien. Ein solcher Stein stand vor der Flurzusammenlegung zwischen Kleinfahner und Witerda an einem Kreuzwege, nämlich an der alten Straße von Erfurt oder Arnstadt nach Langensalza und am Walschleber Wege. An demselben ist nach Mitteilung des Schultheiß Schierschmidt in Tüttleben bei Böttner a.a.O. das Mainzer Rad, aller Wahrscheinlichkeit aber das Sonnenrad, eingezeichnet gewesen. Bei den früheren alljährlichen Flurumzügen seien die ältesten Schuljungen mitgenommen worden und bei jedem hohen Grenzsteine ein Junge auf denselben gesetzt worden. Er könne sich sehr gut erinnern, dass er auf diesen Stein gesetzt worden sei. Aus der Gemeindekasse habe jeder Junge 25 Pfg. erhalten.

   Kalliefe schreibt am Ende seiner Ausführungen vom Jahre 1918 (Sp. 185), daß diese, so wenig sie in einzelnen unbedingt zutreffend sein möge, an dem weitaus größten Teil der überlieferten Volksdeutungen jedenfalls mehr Rückhalt fänden als an allen anderen Bestimmungen der bisherigen Forschung. Kuhfahl 94) urteilte noch 1928 darüber, zugleich die Forschungen Mogks betreffend, daß sie auf den ersten Blick ziemlich gewagt erscheinen, aber beim Vergleich mit dem tatsächlichen Befund soviel Unterstützung im einzelnen fänden, wie wir auch angesichts der Steinkreuze im Kreise Gotha gesehen haben, daß sie der Steinkreuzforschung von heute ein ganz anderes Gesicht gegeben haben. Kalliefe äußerte am Ende seiner Durcharbeitung der Steinkreuze Sachsens (S. 76–77), daß viele andere Zeichen dieser Kreuze nebst weiterer Sagen viel heidnisches Gut bergen. Wenn das Volk und die Steine selbst gefragt würden, könnten seine Betrachtungen wohl in vielen Fällen ergänzt werden. Obwohl die meisten Deutungen, die aus den vier Untersuchungen für die Steinkreuze des Kreises Gotha anwendbar waren, gegeben wurden, ist deshalb mit Sicherheit anzunehmen, daß der oder jener Einzelzug, für den in jenen Ausführungen kein entsprechendes Beispiel zu finden war, hervortreten würde und aufzuklären sei. Als Laie auf volkskundlichem und geschichtswissenschaftlichem Gebiet liegt es mir jedoch fern, mich darüber auszulassen.

   Herr Universitätsprofessor Dr. phil. Eugen Mogk in Leipzig hat der Entwurf dieses Aufsatzes vorgelegen. Ihm sei auch hier für die Förderung dieser Arbeit herzlich Dank gesagt.

1) Sechster Band 1912–1916, Dresden, Oktober 1913. S. 79–84.
2) 66. Jahrgang, Berlin 1918, Nr. 7/8. Sp. 167–186.
3) 52. Jahrgang, Berlin 1920/21, Heft 1, S. 64–77. – Die zahlreichen Quellen muße Kalliefe umständehalber fortlassen und verwies, in der er mit wenigen Ausnahmen nur neue Quellen angab, auf ihr Verzeichnis a.a.O. (1918).
4) 81. Band, Leipzig 1929, Heft 1, 28. S.
5) Frank, Deutsche Gaue IX, S. 174.
6) Vgl. die Verbreitungskarte bei Rausch, Die alten Steinkreuze im Stadt- und Landkreise Gotha im Mareile 1931, Nr. 1, S. 14.
7) Block, Alte Steinkreuze in Westthüringen in den Mitteilungen des Eisenacher Geschichtsvereins, 2. Heft, Eisenach 1926, S. 38.
8) Block a.a.O. S.36.
9) Reinhardt, Geschichte des Marktes Gräfentonna, Langensalza 1892, S. 256–257.
10) Giese, Vor dem Kreuz in den Thüringer Monatsheften, Flarchheim 1930, Heft 3/4, S. 186–188.
11) Bühring, Des Rennsteigs steinerne Chronik, Zeitz 1929, S. 29–31.
12) Block, a.a.O. S. 39.
13) Schönheit, Steinkreuze in Thüringen in den Monatsblätter für wanderfrohe Nachbarn, Jena 1926, Heft 10/11, S. 298.
14) Berbig, in Naturwissenschaftliches und Geschichtliches vom Seeberg, Gotha 1901, S. 6.
15) In der Literatur noch unbekannt.
16) Böttner, Alte Steine in + Form in den Blättern für’s Haus, Beilage der Gothaer Neusten Nachrichten, Nr. 5, vom 26. Februar 1898.
17) Rausch, Neues über die zwei verschwunden Steinkreuze in Kindleben bei Gotha in den Gothaer Neusten Nachrichten vom 24.5.1929.
18) Linz, Geschichtliches von den Steinkreuzen in der allernächsten Umgebung von Apfelstädt in der Heimat-Scholle, Beilage zu den Gothaer Neusten Nachrichten, 1. Jahrgang, Nr. 14.
19) Gerbing, Die Flurnamen des Herzogtums Gotha und die Forstnamen des Thüringer Waldes, Jena 1910, S. 57.
20) Gerbing a.a.O. S. 400.
21) Block a.a.O. S. 38.
22) Mündliche Mitteilung an den Verfasser.
23) Rausch, Eine Wanderung nach dem Seeberg im Gothaer Sonntagsboten vom 10. Juni 1928.
24) Jänner, Die Mythen des Hörselberges und seiner Umgebung, Gotha 1899, S.12.
25) Gerbing a.a.O. S. 170.
26) Völker, Das Thüringer Waldgebirge, Weimar 1836, S. 172.
27) Florschütz, Kreuz, Sporn und Hufeisen in den Thüringer Monatsblättern, 27. Jahrgang, Nr. 6, S. 63.
28) Wagener, Steinkreuze am Wege im Pflüger, Mühlhausen 1924, S. 175.
29) Wagener a.a.O. S. 176.
30) Block a.a.O. S. 38.
31) Linz a.a.O.
32) Nicolaysen, Norske Fornlevninger, S. 373.
33) Haukenaes, Hardanger 7. Del., S. 330 f.
34) Kniesche, Alte Steinkreuze in Thüringen im Thüringer Kalender 1920, S. 37.
35) Linz a.a.O.
36) Vgl. Gothaer Neuste Nachrichten vom 7. Januar 1929.
37) Zur Steinkreuzforschung im Neuen Archiv für Sächsische Geschichte und Altertumskunde, 40. Band, Dresden 1919, S. 189–196, vgl. S. 193–195.
38) Hauptstaatsarchiv Dresden = HStA. Pirnaer Amtserbbuch Bl. 136.
39) HStA. Loc. 8340 Acta. Unterschiedene Gränz-Irrungen Bl. 28.
40) Vgl. z. B. HStA. Loc. 13 721, Einige Einwohner von Zschachwitz, 1773.
41) HStA. Loc. 7369, Das Amt Pirna 1510–1696, Bl. 105b.
42) Ebda. Bll. 96, 99, 102b.
43) Die alten Steinkreuze in Sachsen, Dresden 1928, S. 203.
44) Loth, Die Steinkreuze in der Umgegend von Erfurt in den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, 1896, S, 86.
45) Mayer, Großes Konversations-Lexikon, Leipzig und Wien 1906, S. 317.
46) Gerbing a.a.O. S. 165.
47) Thüringer Staatsarchiv Gotha PP II 23b.
48) Rausch im Mareile 1931, Nr. 2, S. 25.
49) Mündliche Mitteilung an den Verfasser.
50) v. Wangenheim, Aus thüringer Vorzeit, Volk und Sippe, Zeitz 1921, S, 21.
51) Zusatz des Verfassers.
52) a.a.O. S. 216, 465, 473 und 479.
53) Montelius, Das Rad als religiöses Sinnbild in vorchristlicher und christlicher Zeit in Prometheus, Illustrierte Wochenschrift, 16. Jahrgang, Berlin 1904/05.
54) The Journal of the Royal Society of Antiquaries of Ireland Ser. VI Bd. IV, Dublin 1914.
55) Thüringer Staatsarchiv in Gotha, Amt Ichtershausen.. Cap. I. Tit. I, No. 18.
56) Teudt, Germanische Heiligtümer, Jena 1929, S. 72.
57) Gerbing a.a.O. S. 91.
58) Heß, Gotha im Mittelalter in Gotha, das Buch der deutschen Stadt, Gotha 1927, S. 102.
59) Teudt a.a.O. S. 73.
60) s. Anm. 62.
61) Beck, Geschichte der Stadt Gotha, Gotha 1870, S. 13.
62) Lehfeldt, Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Amtsgerichtsbezirk Gotha, Jena 1891, S. 110.
63) Gerbing a.a.O. S. 137.
64) Böttner a.a.O.
65) Böttner a.a.O. und Gerbing a.a.O. S 365.
66) Bildbeigabe Nr. 5 zu Rund um den Friedenstein, Beilage des Gothaischen Tageblattes vom 9. Mai 1928.
67) Volkland, Die Bau, und Kunstdenkmäler der Stadt Gotha in Gotha, das Buch einer deutschen Stadt, Gotha 1929, S. 75.
68) Gerbing a.a.O. S. 80.
69) Gerbing a.a.O. S. 361.
70) Gerbing a.a.O. S. 356.
71) Brückner, Sammlung versch. Nachr. …, 1753–1763, H. 8, S. 52.
72) Zeitschrift für Thüringische Geschichte und Altertumskunde, XVIII. Band, S, 284–315.
73) v. Maurer, Geschichte der Markenverfassung in Deutschland, Erlangen 1856, S. 327–328.
74) Thudichum, Die Gau- und Markverfassung in Deutschland, Gießen 1860, S. 137, Anm. 2.
75) Bühring a.a.O. S. 29–31 und 113.
76) Bühring und Hertel, Der Rennsteig des Thüringer Waldes, Ruhla 1910, S. 74–76. Hier heißt es schon: "Der Name Possenrod scheint … auf einen dieser Siedlung zugehörigen Waldbezirk hinzudeuten."
77) Florschütz, Die Brandgräber auf dem Seeberg bei Gotha, Leipzig 1925, S. 175 (Götze-Festschrift).
78) Rausch im Gothaer Sonntagsboten vom 10.6.1928.
79) Gerbing a.a.O. S. 147.
80) Berbig a.a.O. S. 6.
81) Berbig a.a.O. S. 2 und 4.
82) Florschütz, Neue Untersuchungen auf dem Seeberg bei Gotha im Nachrichtenblatt für deutsche Vorzeit, Jahrgang III, Heft 8,1927 (Leipzig), S. 125.
83) Gerbing a.a.O. S. 71.
84) Gerbing a.a.O. S. 473.
85) Florschütz, Von und aus der Vorgeschichte des Gothaer Landes in Aus den coburg-gothaischen Landen, 6. Heft 1908, S, 30.
86) Wagener a.a.O. S. 176 – Vgl. das oben angeführte Radkreuz in einer vorgeschichtlichen Umwallung bei Coolnaha South in Irland.
87) s. Anm. 14.
88) Baethcke bei Bürner, Sühnesteine, in den Thüringer Monatsblättern, 23. Jahrgang, S. 122.
89) Müller, handschriftliche Mitteilung auf einer Fragekarte vom 10.9.1903, Heimatmuseum Gotha.
90) Schultes, Dipl. Geschichte des Hauses Henneberg, I Hildburghausen 1786, S. 101.
91) Lehfeldt a.a.O. Jena 1898, S. 158.
92) Florschütz, Vorgeschichte und Schule in den Beiheften zur Thüringer Lehrerzeitung, Weimar, Juli 1930, S. 75.
93) Freysoldt, Alte Hufeisen, Ruhla 1912, S. 5.
94) Kuhfahl a.a.O. S. 211.

(Quelle: "Rund um den Friedenstein". 8. Jahrgang, Nr. 27 vom 31. Dezember 1931. Beilage zum "Gothaischen Tageblatt", Jg.83, Nr.305)

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Eine Untersuchung der ältern Geschichte des Hülfensberges, eines berühmten Wallfahrtsortes im Eichsfelde
Auszug aus dem Buch
Über den thüringischen Gott Stuffo
von Heinrich Maria Waldmann

   So weit der h. Bonifacius gekommen ist, gibt man keinen Zehnten. Nach den Chroniken verdanken die Thüringer diesen Vorzug allerdings dem h. Bonifacius. Sie waren nämlich, wie jene erzählen, als der Heilige sie bekehrte, den, Ungarn tributpflichtig und erklärten ihm daher, daß sie dem Gott, dessen Macht er preise, gehorchen wollten, wenn er sie von dem Zehnten, den sie von ihrem eigenen Leibe, von ihren Kindern und Gütern geben müßten, befreie. Diese Antwort bringt ihn in Verlegenheit. Aber in der nächsten Nacht tröstet ihn Gott und sagt ihm unter Anderem: "Ich bin ja um der Menschheit willen vom Himmel kommen, Gerechtigkeit und Gericht zu schaffen, und hab mit meinem teuern Blut den Armen sowohl als den Reichen erkauft und erlöset, und ist meine Meinung nie gewesen, daß ein Mensch dem andern von seinem Leihe Zehnten gebe, habe solches auch selbst von keinem begehret, und will derhalben solche Obrigkeit erwecken, die meine Gläubigen wider solche unrechtmäßige Gewalt- schützen sollen. Darum will ich Dir auch hiermit jetzt und endlich befohlen haben, daß Du morgenden Tages von meinetwegen und an meiner Statt die Thüringer von dem Zehnten, den sie dem Könige von Ungarn geben, müssen, ganz quitt und ledig sagest und sie dessen aufs gewisse versicherst, daß derselbige König nimmermehr keinen Zehnten von ihnen fordern noch bekommen soll.“ Dieser Weisung gemäß harrte Bonifacius bei den Thüringern aus, die Ungarn aber, die unterdessen von der Absicht derselben sich zu befreien, gehört haben, kommen mit Heeresmacht herbei und treffen jene bei Nägelstedt. Gott leistet auf die Bitte des h. Bonifacius den Thüringern Beistand: sie treiben ihre Unterdrücker größtenteils in ein Moor und in die Unstrut, während von ihnen selbst nur zwei Ritter umkommen, an dem Ort da hernach die zwei hohen steinern Kreuz bei einander, zwischen Salza und Gräfentonna, gestanden, die man ihnen zum Gedächtniß aufgerichtet und welche daselbst noch gesehen werden. (Nach Spangenberg.)
[...]
   Mit der Sage von der Zehntfreiheit stehen in Verbindung die sogenannten Zehnt- oder Bonifatiussteine. Man versteht darunter jene steinernen, an ihren Erden, keilförmig auslaufenden Kreuze, die man häufig in unseren Gegenden und im Hohnsteinischen, aber auch in anderen Gegenden Deutschlands antrifft z.B. bei Wetzlar, in Altbaiern, in Schwaben, im Fränkischen und in der Oberpfalz, auch zu Berlin bei der Marienkirche. 53) Zuweilen stehen mehrere bei einander. Unter dem Volke geht die Sage, wo sie stehen, habe der h. Bonifatius gepredigt. Am meisten ist mir eins aufgefallen, welches bei Hohegeiß auf dem Harze an der Chaussee steht und die Jahreszahl 1350 trägt. Hier stand einst eine Kapelle, wovon das Fundament noch zu sehen ist. Im J. 1350 soll diese neu aufgebaut und zur Erinnerung daran jener Kreuzstein gesetzt worden sein. Nach einer anderen Meinung liegt da ein Abt begraben. Die Kapelle zu Hohegeiß gehörte dem Kloster Walckenried und war die bekannteste unter den von dem berühmten Konvent auf dem Harze erbauten. Sie hieß die hohe Kapelle auf dem Jungfer-Marien-Berg (Mons S. Mariae Virgnis ad peregrinos) und schon 1257 wird ihrer gedacht. Als in der folgenden Zeit die Gegend wegen Raub und Mord unzugänglich wurde, verfiel die Kapelle, bis sie 1404 glänzend wiederhergestellt ward. 54) Die Kreuze bei Worbis und Zaunröden sieht man auch als Denkstein an, die man ausgezeichneten Personen, die im dreißig- oder erst im siebenjährigen Kriege daselbst gefallen seien, gesetzt habe, namentlich gilt das bei Zaunröden als Denkmal eines dort umgebrachten Lifländers, Reinhold von Löwen, dessen Grabinschrift sich noch in der Kirche des Dorfes vorfindet. An anderen Orten knüpfen sich an diese Kreuze ähnliche mündliche Nachrichten. Fragt man, sagt Wittmann a.a.O: Die Leute in den Gegenden, wo solche Kreuze sich finden, was sie bedeuten, so erhält man gewöhnlich zur Antwort, daß sie die Stelle bezeichnen, wo im Kampf mit den Schweden Gefallenen zusammen begraben wurden. Dieser Meinung steht entgegen, dass derlei Kreuze Jahrhunderte vor dem Erscheinen der Schweden vorhanden waren, und daß man in dem Greuel der Verwüstung wohl schwerlich an die Aufrichtung solcher, nicht unkostenspieliger Kreuze denken konnte, um so weniger, als die Leute damals nicht hatten, womit sie ihren Hunger stillen, oder ihren Körper bedecken konnten. Andere sind der Ansicht, daß diese Kreuze denselben Ursprung und dieselbe Bedeutung haben wie die gewöhnlichen aus Holz verfertigten, die überall, wohin sich das Christentum verbreitete, an den Wegen aufgerichtet wurden, um das Gemüt des Wanderers himmelwärts zu lenken. Dieser Meinung widerspricht schon die gewöhnliche Form und Materie dieser Kreuze, und wenn andere glauben, daß sie die Stelle bezeichnen, wo unsere Ahnen zu Gericht gesessen, so fehlt dieser Ansicht die Wahrscheinlichkeit nicht bloß, sondern jeglicher Beweis. Zwar ist allerdings richtig, dass häufig bei Steinen Gericht gehalten wurde, doch aber nicht bei solchen, welche Menschenhände zur Stelle schafften, sondern die Natur gesetzt hat.
   Der Bezeichnung der Steinkreuze auf den h. Bonifacius ist in anderen Gegenden, z.B. im Halberstädtischen ein bestimmteren Inhalt gegeben worden. Als gottbegeisterter Mann, wird gesagt, sein Apostelweg von Halberstadt über Walckenried an Pustleben (Apustelleben) vorbei über die Pustelbrücke (Apustelbrücke), dannweiter über die Dün bei Zaunröden vorüber auf den Hülfenberg zurückgelegt, ersetzte er überall den Hammer des Thor durch jene Kreuze. Es gibt aber über diese für das jetzige Geschlecht allerdings rätselhaften Steine geschichtliche Nachrichten, welches das Dunkel, das auf ihnen liegt, vertreiben. Gretser berichtet: De Conrado episcopo Herbipolleni ab improbis occiso Arnoldus abbas Lubecensis lib. 7. chronici cap. 2: A fidelibus in ipso loco occisionis suae crux operosa ercta est: et in ea tale epitaphium exaratum:
Hic procumbo solo, sceleri dum parcero nolo.
Vulnera facta dolo dent habitare polo.
Hinc et hodie multi locis Germaniae mos est, ut ubi homicidia facta sunt, etiam mediis campis, eriganatur cruces saxeae, sed humiliores et densiores, ut diutius durent. Quibus conspectis omnes satim de facta eo loci caede commonefiunt.
   Die hessische Reimchronik erzählt, wie Heinrich schenk, Hen von Grifft und Hanß von Born erschlagen wurden1454, und fährt dann fort:
Bey Dorlen man Monument findet,
Die inden Stein gehauen sindt,
Und thun Andeutungen der Geschicht,
Davon ich jetzund hab bericht. 57)
   Als der Herzog Friedrich von Braunschweig und Wolfenbüttel am 5. Juni 1400 von dem Grafen Heinrich von Waldeck ermordet worden war, ward an der Stätte der unseligen Tat ein steinernes Denkmal in Kreuzform errichtet, dessen Inschrift aber schon vor mehr als 100 Jahren beinahe ganz unleserlich war. 58) Folgende Beispiele führt Wittmann an: Im Jahre 1484 ermordeten Sigmund Golter von Habseg und Georg Erman von Zell den Zacharias Wicko von Mittelried. Da die Kinder des Erschlagenen teilweise dem Abt von Kempen, teilweise dem Marschall Alexander von Pappenheim leibeigen waren, so stand es diesen beiden zu, denselben Genugtuung zu verschaffen. Um Blutvergießen zu verhindern, überwiesen sie den Austrag der Sache einem Schiedsgerichte und dieses setzte fest:
Die Täter sollen den Totschlag bessern:
1.   Dadurch, daß sie dem Erschlagenen einen Dreißigsten durch den Pfarrer von Tanheim oder einen anderen lesen;
2.   ihn in der Pfarr zu Münchrot besingen und 50 Messen lesen lassen
3.   daß die Täter vier Wallfahrten machen, nämlich gen Rom, Aachen, Einsiedeln und zum heil. Leonhart in Juchenhoven;
4.   daß sie ein Steinkreuz, das fünf Schuh lang, drei breit, und ungefährlich einen Schuh dick sein soll, setzen, wo es die Anverwandten des Erschlagenen haben wollen.
Ebenso ward bestimmt, daß zur Sühnung von Mordtaten steinerne Kreuze gesetzt werden sollten zu Vach, jetzt im Landgericht Nürnberg 1523, zu Seefeld in Altbaiern 1518, zu Kaufbeuren 1478, ferner ungefähr 1420 in einem nicht weiter bestimmenden Falle und endlich 1596, wo die Errichtung des Kreuzes auf viele Bitten der beteiligten wieder erlassen wurde, wie überhaupt diese Buße in Folge des gänzlich geänderten Kriminalgerichtsverfahrens aufhören mußste.
   Ergänzend fügt Reuß a.a.O. folgende Urkundenregest in der Reg. Boic. X. 124. vom 21.Dec.1383 hinzu: Friedrich Burggraf ze Nüremberg, Herdegen von Hürnheim Ritter, Cunrad von Rechenberg der Ältere, Arnold Hiltmar und Heinrich von Seckendorf genannt von Durrenpuch, bestimmen als Schiedsleute wegen des an Götzen dem Schenken von Lochof seligen geschehenen Todtschlages zwischen des Schenken Wirthin, Kindern und Freunden einerseits und Hansen von Elrichshausen und dessen Sohne, so wie allen denen, welche an dem Todtschlage schuld sind anderseits, wie folgt: Hans von Elrichshausen soll den beiden Töchtern des Schenken zwei Pfründe in ein oder zwei Klöster ze Kirchheim oder ze Zimmern in dem Riese schicken, so dass sie ohner der Kläger Schaden hineinkommen; und soll einer jeden 10 Pfd. Wehrung ze Leibgedinge auf versetzten Gütern vermachen, nach deren Tode es dem Elrichshuser wieder ledig wird; dieser soll ferner ein ewig Licht auf besetzten Gütern machen, welche auf des Schenken Grab brennen soll; eine Romfahrt und eine Achfahrt tun oder tun lassen; 200 einpfündige Wachskerzen machen, und durch ehrbare Ritter und Knechte auf des Schenken Grab tragen lassen, diese dürfen dann die Kläger für des Erschlagenen Seele geben, wohin sie wollen. Endlich soll er an die nächste Wegscheide, wo der Schenk erschlagen ward, ein steinernes kreuz setzen, und dessen Schild und Helm daran hauen lassen. Diese Schiedung ist in Jahresfrist zu vollziehen. G. ze Onolczbach an sant Thomas Tag.
   In der Gegend von Nordhausen, nicht weit von Amt Lohra, eine Stunde vom Dorf Friedrichsrode, im Helbethale, auf einer Anhöhe am Wege steht noch ein solches Kreuz, welches, obgleich nicht mehr ganz unversehrt, doch zur Entscheidung der Frage, mit welcher wir beschäftigt sind, wesentlich beitragen kann. Auf der vordern Seite trägt es eine längere Inschrift, auf der Rückseite eine kniende Figur, man sagt, einen gewappneten Ritter. Aus der Gegend des Hauptes derselben laufen etwa drei oder vier Worte nach oben. Obgleich man weder diese, noch etwas auf der anderen Seite mehr zu lesen im Stande ist, so drücken doch die Umrisse der Buchstaben so entschieden die sogenannte gothische Schrift des 15. Jahrh. aus, daß kein Zweifel möglich ist. Wie mir erzählt wurde, so gab sich schon vor Jahren der verstorbene Ortspfarrer von Suhl Dr. Werther die größte Mühe, die Inschriften zu entziffern; es gelang ihm aber nur in den wenigen aufwärts gerichteten Worten ein Domine misere mei oder: Herr erbarme dich meiner zu erkennen. Mir ist wahrscheinlich, daß er lateinische Worte gelesen hat. Es wird gesagt, die Jungfrau von Lohra habe dieses Kreuz dem Grafen Heinrich von Lohra, der im Bauernkriege von den Mühlhäusern erschlagen worden sei, errichten lassen. Welche Tatsache hierin versteckt liegt, kann ich aus den mir zugänglichen geschichtlichen Hülfsmitteln nicht aufklären. Die Zeit, aus welcher es stammt, zeigt dieses Kreuz, wie schon bemerkt, unwidersprechlich. Es heißt die Steinerne Jungfrau, und dieser Name ist auch auf die Anhöhe übergegangen, auf welcher es steht. Es ist etwas höher und schärfer in seine Umrissen, als die übrigen Steinkreuze in der Grafschaft Hohnstein und auf dem Eichsfelde, sonst weichen diese von jenem nicht ab. Wenn aber derjenige Teil von diesen allen, welcher in der Erde steht, nach unten breiter wird, wenn ferner die Arme derselben vierseitig sind und keil- oder meißelförmig endigen, so zeigt die Abbildung de dem Herzog Friedrich errichteten bei Steinruck, daß dieses achtseitige Arme hatte, welche mit achteckigen Flächen endigten.
   Hiernach wird man wohl über die Bedeutung der Steinkreuze, auch das bei Hohegeiß stehenden, das seiner Inschrift nach vielleicht das älteste ist, nicht mehr in Zweifel sein können. Ich will nur noch hinzufügen, daß v. Minutoli im 4. Abschnitt seines Werkes über den Dom von Drontheim und die mittelalterlichen christliche Baukunst der skandinavischen Normannen von einer dem skandinavischen Norden eigenen Art von Denkmälern handelt, den sogenannten Steinkreuzen, die als Zeichen der Einführung des Christentums, der ältesten christlichen Versammlungsorte, manchen als Erinnerung an wichtige und unglückliche Begebenheiten gelten: Sie sind uralt, reichen bis in das 10 Jahrh. hinauf, in Schweden bis 1100; in Norwegen zählt man deren jetzt noch 28. Auch auf der englischen Insel Man hat man ähnliche Kreuze gefunden. Sie haben die Form eines griechischen Kreuzes, das auf einem nach unten sich verbreiternden Steine steht und dessen vier Arme gewöhnlich von einem Kranze umschlossen sind mit Runenschrift und bildlichen Darstellungen. Da sie Einigen auch als Erinnerungszeichen unglücklicher Begebenheiten gelten so könnte man auf einen Zusammenhang mit unseren Kreuzen schließen; darüber wird sich aber erst dann etwas Bestimmtes sagen lassen, wenn das erforderliche Material vollständiger vorliegt.

53) Otte Handbuch der kirchl. Kunstarchäologie des Mittelalters, 3. Aufl. S.48 sagt, war das letztere im Jahre 1335 zur Sühne für die Ermordung des Propstes Nikolaus von Bernau errichtet. Vgl. das Folgende im Text. Auch hat sich die Erinnerung an den Mord erhalten; wenigstens sprach ein dabei stehender Mann sogleich davon, als ich es besichtigte.
54) Leuckfeld, Aniquit. Walckenr. S.175.
57) Kuchenbecker, Analect. Hass. Coll. VI, S. 342, 343.
58) Rommel, Gesch. V. Hessen. 2. S.236 und die Anmerkung dazu. Von diesem Mord handelt : H. Ph. Steinruckii Waldecensis disquisitio historica de Friderico de Brunsvicensi et Luneburgensi anno 1400 hand procul Fritzlaria caeso Marburg 1743.

(Waldmann, Heinrich Maria - Über den thüringischen Gott Stuffo. Eine Untersuchung der ältern Geschichte des Hülfensberges, eines berühmten Wallfahrtsortes im Eichsfelde. Heiligenstadt 1857, S. 96 – 97 und 99 ff. Nach einer maschinenschriftliche Kopie von Walter Saal.)

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