[...] Sogar die Opfergaben der alten Seelensteine haben Erinnerungen bis in unsere Zeit hinterlassen. Im Kopf des Steinkreuzes von Dankersen findet sich eine "Opferschale", eine runde, näpfchenartige Vertiefung von 4 Zentimeter Durchmesser und 2 Zentimeter Tiefe. Noch vor wenigen Jahrzehnten kam es - nach dem Bericht des Ortsheimatpflegers - vor, daß bei dem Kreuz sauer gewordene Milch niedergestellt wurde. Wenn die Milch öfter sauer wurde, hatten die Hexen ihre Hand im Spiele. Vor ihnen schützte das Kreuz.
(Brockpähler, Wilhelm - Steinkreuze in Westfalen, 1963, S.119)Es ist am ersten Tag in der Schwarzbeerenernte, wenn die Kinder mit vollen Körben den Wald verlassen, dann gehen sie "opfern". Jedes Kreuz oder jeder Grenzstein auf dem Heimweg wird mit den größten und schönsten Beeren, die man gefunden hat, bestrichen, zum Dank für die reiche Ernte in diesem Jahr, und zugleich als Bitte, daß auch im nächsten Jahr der Wald wieder sehr ertragreich sein möge. Dabei will das eine Kind das andere im Laufe überflügeln bis zum nächsten Stein. Die Opferung selbst wird von jedem Kind in weihevollem Schweigen vollzogen. Diese Opfer sind wohl noch die letzten Nachklänge der alten Menhiropfer und dürften deshalb ein wirklich "uraltes" echtes Opfer darstellen.
(Wittmann, Leonhard - Steinkreuze im Volksglauben, in: Das Steinkreuz, 2.Jg., 1934, Heft 2, S.6)Alte Steinkreuze spielen auch im Aberglauben unserer Altvorderen eine Rolle. Der verstorbene Heimatforscher Dr. Meyer hat dem Verfasser erzählt, daß Kinder im Vogelsberg und im Odenwald Beeren, die sie im Wald gepflückt haben, an den Kreuzen als Votivgabe niederlegen. Dieser Brauch konnte im Odenwald nicht ermittelt werden. Vielleicht ist aber die Nische auf dem Bernhardskreuz ein Näpfchen für die Aufnahme solcher Gaben.
(Bormuth, Heinz - Die alten Steinkreuze im Landkreis Bergstraße, in: Geschichtsblätter Kreis Bergstraße, Heft 7, 1974, S.75)
Denkmale mit Bezug darauf:
• Dankersen (NRW)
[...] Eine ähnliche Bedeutung wie die Steine als Sitz und Aufenthaltsorte der Toten haben im germanischen Volksglauben auch Quellen und Bäume; der Glaube an die Zauberkraft von Weihegeschenken, wie man sie bei den Germanen als Dankesgabe für wiedererlangte Gesundheit oder Unterstützung an Bäumen und an Kreuze aufhing, findet sich in ähnlicher Weise bei den Aegyptern, Griechen und Römern, und hat sich wenn auch in veränderter Art erhalten bis auf den heutigen Tag, wo diese Votivgaben in Kirchen und Kapellen unter Anrufung der Heiligen aufgehängt werden. Diese Weihegeschenke sind schon in vorchristlicher Zeit hauptsächlich an Kreuzwegen niedergelegt worden, die, wie bekannt, im Volksglauben zahlreicher Völker eine so große Rolle als Aufenthaltsort der Toten spielen; bei den Griechen wird an Kreuzwegen der Herrin Hekate geopfert. [...]
(Ernst, Max - Alte Steinkreuze in der Umgebung Ulms, in: Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, Heft 29, 1934, S.18)Kreuzchenlegen bei St. Jost
An einem alten, seit reichlich dreihundert Jahren begangenen Pilgerweg zur Kapelle St. Jost steht im Mayener Wald kurz vor dem Ziel, dort, ehe der Berg dann steil zum Tal der Nitz abfällt, ein Basaltlavabildstock aus dem Jahr 1645. Er zeigt den unterm Kreuz zusammenbrechenden Christus. Mit diesem Bildstock aus der großen Mayener Werkstatt, gestiftet von "HANS NEIZER" und seiner Frau "ANA BELGES", verbindet sich ein noch sehr lebendiger volkstümlicher Brauch. Ehe die Pilger den Abstieg antreten, beten sie davor: "Heiliger Jodokus, zu Dir kommen wir, Deine Hilfe erflehen wir", und legen bei ihm kleine Kreuze nieder, die sie unterwegs aus Ästen, Hölzern, dünnstem Reisig, Tannengrün oder auch Blumen gesteckt, geschnitzt oder anders gefertigt haben. "Mit dem Kreuz legt jeder seine persönlichen Anliegen nieder", erklärt dazu eine Bewohnerin aus dem Dorf Pommern, die schon öfter als 25mal mitging. "Das eigene Kreuz unter das Kreuz Jesu legen", so will der Pfarrer von Langenfeld, zu dessen Gemeinde die einsam gelegene Wallfahrtskapelle St. Jost gehört, diesen über Jahrhunderte geübten Brauch interpretiert sehen. Der Ritus des "Kreuzchenlegens" ist in Mitteleuropa schon im Mittelalter bekannt gewesen. Abwehrglaube und andere volksgläubige Vorstellungen mögen dabei zum Ausdruck gekommen sein. Nach einer kurzen Andacht vor dem Bildstock und dem Gebet des Schmerzhaften Rosenkranzes steigen die Pilger dann hinab ins Nitztal zur Jodokus-Kapelle. Ein Trampelpfad über die Wiese neben der Nitz ist das letzte Wegstück. Bei der Kapelle stehen eine alte Mühle, ein kleiner Fachwerkbau - heute ohne das Radwerk - und ein Wirtshaus. 1985 kamen aus der Eifel, dem Ahrtal, vom Westerwald und aus Moseldörfern an vier Wochenenden Ende September und Anfang Oktober mehr als 8000 Wallfahrer nach St. Jost in sechzig angemeldeten und unangemeldeten Gruppen, mit und ohne Pfarrer (1894 wurde ihre Zahl auf 12-15 000 geschätzt). Die Ausstrahlungskraft von St. Jost im Nitztal war immer stark, und sie nimmt zur Zeit zu. Darum mischte sich 1985 auch Bischof Hermann Josef Spital aus Trier unter die Pilger. Für sie wird jedes Jahr in der Langenfelder Kirche St. Quirinus an den entsprechenden vier Samstagabenden Gottesdienst gehalten. Einige feierten in Anwesenheit des Bischofs ihr 50. und 60. Jodokus-Wallfahrtsjubiläum.
Die Wallfahrer, die sich der Kapelle von Süden her nähern und den Bildstock von 1645 passieren - das sind natürlich nicht alle Jodokuspilger - , verrichten ihre Kultübung neuerdings vor einem zerbrochenen Mal. Denn der schöne Kopfteil des Bildstocks von 1645 mit bekrönendem Kreuz wurde abgetrennt und liegt nun auf der Erde gegen den Schaft gelehnt. Die Kreuzchen gruppieren sich seitdem um beide Stücke, türmen sich zu einem Hügel: die großen, bis zu 1,2 Metern hohen, sind oft aus zwei Ästen einfach nur zusammengelegt, der eine liegt in der Astgabelung des anderen. Meistens werden die Kreuzschenkel an ihrem Schnittpunkt irgendwie fixiert, zusammengebunden, geklebt, gesteckt. Dafür werden Schnürsenkel, Grashalme, Blumen, Bindfaden, Draht und Leukoplast verwendet.
Oder ein kleiner Ast wird gespalten und durch den Schlitz ein zweiter hindurch gezogen. Manche Kreuzgestecke sind kleiner als ein Handteller und mit Poesie gemacht: über Kreuz gelegtes weiches Tannengrün, gebunden von blauen Glockenblumen. Einige aus hellem Holz perfekt gezimmerte Kreuze hatten Wallfahrer vorher bei einem Mann in Pommern bestellt. Sie fallen auf, denn Tradition ist, die Kreuzchen unterwegs auf dem Kultgang zu fertigen.
(Lehmann-Brauns, Elke - Himmel, Hölle, Pest und Wölfe: Basaltlava-Kreuze der Eifel, Köln 1986, S.151-152)
Denkmale mit Bezug darauf:
• Pürgen (BY)
• Kürrenberg (RLP)