Geschichte & Forschung Aberglaube & Brauchtum

Opfer-Bräuche an Steinkreuzen und Bildstöcken


 Geld-Opfer in Vergangenheit und Gegenwart 

[...] Vereinzelt konnte auch beobachtet werden, daß auf unseren Steinkreuzen Pfennigstücke "geopfert" werden. Dieser Brauch ist z.B. bekannt vom Steinkreuz im Staatsforst "Alter Herrgott" (...), ebenso vom völlig entlegenen Kreuz in Forchheim / OT von Waldsassen (Lkr. Tirschenreuth) im Grenzwald gegen Böhmen. Auch auf weiteren Kreuzen fand ich in den Jahren 1971-76 zuweilen kleine Münzen vor wie in Hammerles, Letzau, Spielberg, Elendhof, Straß und Leonberg. Wer die Pfennige hinlegte und wer sie wieder wegnahm, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden.
(Schmeissner, Rainer, H. - Steinkreuze in der Oberpfalz, 1977, S.325-326)

[...] Volkskundlich interessant ist die Tatsache, an die sich vor vielen Jahren die ältesten Bürger noch erinnern konnten, daß nämlich der breite Kubus des Sockels früher als Opferstein gedient habe. Jeder, der hier vorüberzog, um eine Reise anzutreten, habe auf dem Stein ein Opfer für die Armen dargebracht, indem er hier eine Münze niederlegte.
(Weinmann, Fred - Hier opferten die Reisenden, in: Der Pilger, Speyerer Bistumsblatt, 126.Jg. Nr.1 vom 7.1.1973)

[...] Von der feierlichen Einweihung des Kreuzes hören wir nur in einem Fall: Die Täter und 30 Mitbüßer legen ihre Kerzen kreuzweis auf das Steinkreuz und die 30 Mitbüßer fügen je einen Fünfer, also ein Geldstück, zu den Kerzen. Letzteres macht einen sehr altertümlichen Eindruck und erinnert an die Geldspenden auf Steine und Menhire, die mit dem Seelenglauben zusammenhängen.
(Jänichen, Hans - Schwäbische Totschlagsühnen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte, XIX, 1960, S.138)

Denkmale mit Bezug darauf:
Spielberg (BY)
Hammerles (BY)
Weiler Stern (BY)

Letzau (BY)
Freinsheim (RLP)
Gelnhausen (HE)




 Licht-Opfer 

Beim Licht-Opfer wird am Steinkreuz ein Ewiges Licht oder ein Laterne, ähnlich den Grableuchten, aufgestellt. Dies gschieht verstärkt zu Allerseelen. Dieser Brauch ist nicht regional begrenzt.

Denkmale mit Bezug darauf:
Breitenbrunn (BY)
Elbergen (NS)
Laibaroes (BY)

Droseheydau (PL)
Schlammersdorf III (BY)
Bommersheim (HE)



 Blumen-Opfer 

[...] Das Opfern auf Steinkreuzen und das Schmücken dieser Denkmäler geht scheinbar auf ähnliche Riten zurück. Bevorzugterweise geschieht dies an beweglichen Festen (Ostern und Pfingsten), wobei die Beobachtung gemacht wurde, daß auf dem Lande mancherorts zwischen "Marterl" und Steinkreuz nicht unterschieden wurde und an beiden, im Grunde so verschiedenen Denkmälern, Blumensträußchen und andere Weihegaben niedergelegt werden. Das Schmücken von Steinkreuzen konnte beispielsweise in Fuhrn (Schwandorf) nachgewiesen werden, sowie an mehreren Kreuzen in den Landkreisen Neumarkt, Neustadt und Tirschenreuth. Zumeist werden die Blumen vor die Schauseite des Kreuzes gelegt, in einigen Fällen aber auch auf das Kopfstück oder auf beide Kreuzarme. Oftmals sind es auch Beeren oder Tannenzweige, die auf das Kreuz gelegt werrden, evt. als Dank für reiche Ernte oder dergl.
(Schmeissner, Rainer, H. - Steinkreuze in der Oberpfalz, 1977, S.325)

[...] Ist doch ein solcher Stein schon von "Kindsbeinen" an dazu da, um mit der Geisterwelt in Verbindung zu stehen, denn hier haben wir den letzten Rest eines uralten Glaubens, nach welchem ein eines gewaltsamen Todes Gestorbener noch ganz besonders auf die Hinterbliebenen wirken und ihnen sogar schaden kann. Deshalb erhielten diese Art ums Leben Gekommenen einen besonderen Toten- und Heroenkult. Hat nämlich der Ermordete sein Recht nicht bekommen, d.h., ist, was germanische Anschauung verlangte, die Blutrache nicht ausgeführt worden, so irrt der Geist des Erschlagenen ruhelos und zürnend umher. Nur durch einen Seelenkult - abgeschwächt durch ein Sühnekreuz oder ein Opfer - kann sein Groll beschwichtigt werden. Gelegentlich herrscht heute noch der Brauch, an einem solchen Kreuz einen Zweig niederzulegen, manchmal auch einen Stein, das heißt man dann "der Hex ein Opfer bringen". Die Zerstörung eines Kreuzes kam noch vor Grabschändung, denn Abbrechen oder Zerstören eines Steinkreuzes brachte den Tod.
(Wittmann, Leonhard - Steinkreuze im Volksglauben, in: Das Steinkreuz 2, 1934, Heft 2, S.2-6)

Denkmale mit Bezug darauf:
Weilerbach (RLP)
Wiesa (SN)
Lennersrieth III (BY)
Ralbitz II (SN)
Weilbach II (BY)
Salmbach (BW)
Obermarsberg (NRW)
Weilheim i.Obb. (BY)

Breitenbuch (BY)
Oberlind VII (BY)
Effeltrich IX (BY)
Ebersbach (BY)
Wildensorg II (BY)
Christes (TH)
Kälberberg (BY)
Kijowice / Vogelgesang (PL)




 Steine legen 
 kleinere Abhandlungen 
Fähnrich, Harald - Ein Brauch im Stiftland und angrenzendem Böhmen: Das Steinopfer bei Flurdenkmälern in der Überlieferung, 1987

[...] Bei Platz (Böhm. Erzgebirge) befindet sich ein Denkstein. Dort sollen sich der Sage nach vor mehr als 150 Jahren zwei Handwerksburschen gegenseitig erstochen haben. Wenn nun Leute aus dem Gebirge an diesem Stein vorübergehen, so legen sie ein Steinchen, das sie vom Wege aufgehoben, auf den Denkstein, nehmen es auf dem Rückwege wieder weg und werfen es auf den Weg. Durch das Hineinlegen und Wegnehmen der Steinchen ist im Denkstein schon eine ziehmliche Aushölung entstanden [...]
(Sieber, Friedrich - Der "Tote Mann" in den beiden Lausitzen und den Nachbarlandschaften, in: Abhandlungen und Berichte der Gesellschaft für Anthropologie u. Urgeschichte der Oberlausitz, zugl. Geschichtsverein für Bautzen und Umgebung. Band 8, 1930, S.33-49)

Eine andere, heute noch nachweisbare Sitte scheint mit dem "Pfennig auflegen" oder "opfern" in Zusammenhang zu stehen, nämlich das Steine auflegen. Bisweilen finden wir in der Oberpfalz Steinkreuze vor, auf denen scheinbar achtlos Steine (Kieselsteine, faustdicke Findlinge usw.) aufgelegt sind. Zumeist liegen sie in Aushöhlungen auf der Oberseite der beiden Kreuzbalken oder des Kopfstückes (diese Aushöhlungen sind entweder durch "Schaben" entstanden oder durch Verwitterung hervorgerufen worden). Dieser Brauch wurde um die Jahrhundertwende gerade in NW-Böhmen unzählige Male beobachtet. Hier war es üblich, daß die "vom Gebirge Kommenden" auf Aushöhlungen der am Wege stehenden Ruhsteine, Steinkreuze, Marterln oder Steinstatuen kleine Steine legten. In der Brüxer Gegend setzte man auf eine Statue ein kleines Steinchen auf, das der Nächstvorbeikommende wieder wegnehmen sollte. Das Steineauflegen war und ist nicht nur im Böhmerwald, sondern auch im Bayerischen und im Oberpfälzer Wald ein Ritual, das natürlich nicht nur auf Steinkreuze und deren artverwandten Denkmäler bezogen wurde, sondern vielerlei Anwendung fand und noch teilweise findet: Steine aufs (ins) Grab legen, ins Hochzeitsbett, in die Futterkrippe, in den Futtertrog legen, usw.
Diese Sitte dürfte mit mosaischem Glaubensdenken verwurzelt sein:
"Wenn der Jude das Grab eines teuren Toten nach verrichtetem Gebete verläßt, so legt er ein Steinchen auf das Grab ... Die Sitte dürfte ein Überbleibsel aus der morgenländischen Zeit der Juden sein, wo das Grab möglichst durch Steine beschwert und bedeckt wurde, damit es nicht von Schakalen und Hyänen aufgewühlt werde."
Signifikant ist das "Steinauflegen" noch bei einem kleinen Steinkreuz in Wenzenbach (Lkr. Regensburg), wo zwei rundlich geformte Steinstücke auf beiden Balken aufliegen. Trotz oftmaligen Wegnehmens und Beiseitelegens dieser Steine konnte wenige Tage später die Beobachtung gemacht werden, daß sieselben wieder auf den Kreuzbalken auflagen. Bei diesem Kreuz wird auch des öfteren Blumenschmuck niedergelegt.
Seltsam mutet in diesem Zusammenhang ein lokaler niederbayerischer Brauch aus Perka (Kloster Biburg bei Abensberg) an, wo auf einem der zwei dort befindlichen Steinkreuzen ein handlicher Keilstein in einer Schabmulde liegt. Die ortsansässigen Vorübergehenden üben noch heute eine seltene Handlung aus: sie nehmen den Stein und schlagen ihn zunächst gegen das linke Steinkreuz (helles Klingen), dann gegen das rechte (dunkles, dumpfes Klingen). In Verbindung mit einer Sage von erschlagenen Knechten, wovon einer "in den Himmel kam", der zweite aber "zur Hölle fuhr" sind beide Steinkreuze sozusagen Repräsentanten des "Guten" (helles Klingen) und des Bösen (dunkles Klingen).
(Schmeissner, Rainer, H. - Steinkreuze in der Oberpfalz, 1977, S.326-327)

Wondreb. Wenn man zum ersten Mal an einem Kreuz vorbeigeht, das in den Feldern steht, soll man einen Stein, so schwer man tragen kann, hintragen. So schwer er ist, so viele Sünden werden einem verziehen. Tirschenreuth. Wenn in der Nähe eines Baumes ein Mensch verunglückt ist oder gewaltsam das Leben verloren hat, so hängt man ein Marterbild an den Baum. Und jeder, der vorbeigeht, trägt einen Stein an den Baum hin, je größer, desto besser. Dadurch entstehen große Steinhaufen. Bei Tirschenreuth sind ihrer sehr viele. Mit diesem Brauch sollen den Armen Seelen die Qualen erleichtert werden. Sie sollen durch das Steingrab zur Ruhe kommen.
(Schönwerth-Nachlaß, fasc. IVa, 1; Stadtarchiv Regensburg zitiert bei Fähnrich (1987), Steinkreuzforschung, Sammelband Nr.13, 1987, S.18-19)

[...] Wie schon erwähnt, legten die Friesdorfer an diesem Kreuz Steine nieder. Dazu schreibt Wiedemann in der "Geschichte Godesbergs" auf Seite 480: "Es handelt sich hier offenbar um eine weit verbreitete Sitte, die es jedem Vorübergehenden zur Pflicht machte, auf die Stätte, an der ein Mensch tödlich verunglückte oder gewaltsam ums Leben kam, einen Stein oder etwas Reisig zu werfen. Es sollte dies dazu beitragen, die unruhige Seele des Verstorbenen, der wegen seines vorzeitigen plötzlichen Todes den Überlebenden zürnte und sie mit Unheil bedrohte, unschädlich zu machen und an die Begräbnisstätte oder den Sterbeort zu bannen". Die Friesdorfer hatten ihre eigene Vorstellung zum Ablegen der Steine. Sie ermahnten schon die kleinen Kinder, Steine zu sammeln und sie am Kreuzchen abzulegen. Dies sollte Glück bringen, eine reiche Waldbeerenernte und Schutz vor den im Wald drohenden Gefahren. Dieser von Generation zu Generation überlieferte Brauch wurde über viele Jahrzehnte gepflegt, als der Hohlweg noch häufiger von Friesdorfern begangen wurde.
(Berchem, Adolf - Friesdorfer Kreuze, in: Godesberger Heimatblätter, Heft 24, 1986, S.66-78, hier S.71-72)

Denkmale mit Bezug darauf:
Limlingerode I (TH)
Wangen I (BY)
Königsdorf III (BY)
Hinterhermsdorf III (SN)
Líska / Hasel I (CZ)

Salmbach I (BW)
Bad Königswart II (CZ)
Eigenrieden III (TH)
Jauernick-Buschbach I (SN)
Oberdürenbach I (RLP)




 Nahrungs-Opfer 

[...] Sogar die Opfergaben der alten Seelensteine haben Erinnerungen bis in unsere Zeit hinterlassen. Im Kopf des Steinkreuzes von Dankersen findet sich eine "Opferschale", eine runde, näpfchenartige Vertiefung von 4 Zentimeter Durchmesser und 2 Zentimeter Tiefe. Noch vor wenigen Jahrzehnten kam es - nach dem Bericht des Ortsheimatpflegers - vor, daß bei dem Kreuz sauer gewordene Milch niedergestellt wurde. Wenn die Milch öfter sauer wurde, hatten die Hexen ihre Hand im Spiele. Vor ihnen schützte das Kreuz.
(Brockpähler, Wilhelm - Steinkreuze in Westfalen, 1963, S.119)

Es ist am ersten Tag in der Schwarzbeerenernte, wenn die Kinder mit vollen Körben den Wald verlassen, dann gehen sie "opfern". Jedes Kreuz oder jeder Grenzstein auf dem Heimweg wird mit den größten und schönsten Beeren, die man gefunden hat, bestrichen, zum Dank für die reiche Ernte in diesem Jahr, und zugleich als Bitte, daß auch im nächsten Jahr der Wald wieder sehr ertragreich sein möge. Dabei will das eine Kind das andere im Laufe überflügeln bis zum nächsten Stein. Die Opferung selbst wird von jedem Kind in weihevollem Schweigen vollzogen. Diese Opfer sind wohl noch die letzten Nachklänge der alten Menhiropfer und dürften deshalb ein wirklich "uraltes" echtes Opfer darstellen.
(Wittmann, Leonhard - Steinkreuze im Volksglauben, in: Das Steinkreuz, 2.Jg., 1934, Heft 2, S.6)

Alte Steinkreuze spielen auch im Aberglauben unserer Altvorderen eine Rolle. Der verstorbene Heimatforscher Dr. Meyer hat dem Verfasser erzählt, daß Kinder im Vogelsberg und im Odenwald Beeren, die sie im Wald gepflückt haben, an den Kreuzen als Votivgabe niederlegen. Dieser Brauch konnte im Odenwald nicht ermittelt werden. Vielleicht ist aber die Nische auf dem Bernhardskreuz ein Näpfchen für die Aufnahme solcher Gaben.
(Bormuth, Heinz - Die alten Steinkreuze im Landkreis Bergstraße, in: Geschichtsblätter Kreis Bergstraße, Heft 7, 1974, S.75)

Denkmale mit Bezug darauf:
Dankersen (NRW)




 "Kreuzchenlegen" 

[...] Eine ähnliche Bedeutung wie die Steine als Sitz und Aufenthaltsorte der Toten haben im germanischen Volksglauben auch Quellen und Bäume; der Glaube an die Zauberkraft von Weihegeschenken, wie man sie bei den Germanen als Dankesgabe für wiedererlangte Gesundheit oder Unterstützung an Bäumen und an Kreuze aufhing, findet sich in ähnlicher Weise bei den Aegyptern, Griechen und Römern, und hat sich wenn auch in veränderter Art erhalten bis auf den heutigen Tag, wo diese Votivgaben in Kirchen und Kapellen unter Anrufung der Heiligen aufgehängt werden. Diese Weihegeschenke sind schon in vorchristlicher Zeit hauptsächlich an Kreuzwegen niedergelegt worden, die, wie bekannt, im Volksglauben zahlreicher Völker eine so große Rolle als Aufenthaltsort der Toten spielen; bei den Griechen wird an Kreuzwegen der Herrin Hekate geopfert. [...]
(Ernst, Max - Alte Steinkreuze in der Umgebung Ulms, in: Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, Heft 29, 1934, S.18)

Kreuzchenlegen bei St. Jost
An einem alten, seit reichlich dreihundert Jahren begangenen Pilgerweg zur Kapelle St. Jost steht im Mayener Wald kurz vor dem Ziel, dort, ehe der Berg dann steil zum Tal der Nitz abfällt, ein Basaltlavabildstock aus dem Jahr 1645. Er zeigt den unterm Kreuz zusammenbrechenden Christus. Mit diesem Bildstock aus der großen Mayener Werkstatt, gestiftet von "HANS NEIZER" und seiner Frau "ANA BELGES", verbindet sich ein noch sehr lebendiger volkstümlicher Brauch. Ehe die Pilger den Abstieg antreten, beten sie davor: "Heiliger Jodokus, zu Dir kommen wir, Deine Hilfe erflehen wir", und legen bei ihm kleine Kreuze nieder, die sie unterwegs aus Ästen, Hölzern, dünnstem Reisig, Tannengrün oder auch Blumen gesteckt, geschnitzt oder anders gefertigt haben. "Mit dem Kreuz legt jeder seine persönlichen Anliegen nieder", erklärt dazu eine Bewohnerin aus dem Dorf Pommern, die schon öfter als 25mal mitging. "Das eigene Kreuz unter das Kreuz Jesu legen", so will der Pfarrer von Langenfeld, zu dessen Gemeinde die einsam gelegene Wallfahrtskapelle St. Jost gehört, diesen über Jahrhunderte geübten Brauch interpretiert sehen. Der Ritus des "Kreuzchenlegens" ist in Mitteleuropa schon im Mittelalter bekannt gewesen. Abwehrglaube und andere volksgläubige Vorstellungen mögen dabei zum Ausdruck gekommen sein. Nach einer kurzen Andacht vor dem Bildstock und dem Gebet des Schmerzhaften Rosenkranzes steigen die Pilger dann hinab ins Nitztal zur Jodokus-Kapelle. Ein Trampelpfad über die Wiese neben der Nitz ist das letzte Wegstück. Bei der Kapelle stehen eine alte Mühle, ein kleiner Fachwerkbau - heute ohne das Radwerk - und ein Wirtshaus. 1985 kamen aus der Eifel, dem Ahrtal, vom Westerwald und aus Moseldörfern an vier Wochenenden Ende September und Anfang Oktober mehr als 8000 Wallfahrer nach St. Jost in sechzig angemeldeten und unangemeldeten Gruppen, mit und ohne Pfarrer (1894 wurde ihre Zahl auf 12-15 000 geschätzt). Die Ausstrahlungskraft von St. Jost im Nitztal war immer stark, und sie nimmt zur Zeit zu. Darum mischte sich 1985 auch Bischof Hermann Josef Spital aus Trier unter die Pilger. Für sie wird jedes Jahr in der Langenfelder Kirche St. Quirinus an den entsprechenden vier Samstagabenden Gottesdienst gehalten. Einige feierten in Anwesenheit des Bischofs ihr 50. und 60. Jodokus-Wallfahrtsjubiläum.
Die Wallfahrer, die sich der Kapelle von Süden her nähern und den Bildstock von 1645 passieren - das sind natürlich nicht alle Jodokuspilger - , verrichten ihre Kultübung neuerdings vor einem zerbrochenen Mal. Denn der schöne Kopfteil des Bildstocks von 1645 mit bekrönendem Kreuz wurde abgetrennt und liegt nun auf der Erde gegen den Schaft gelehnt. Die Kreuzchen gruppieren sich seitdem um beide Stücke, türmen sich zu einem Hügel: die großen, bis zu 1,2 Metern hohen, sind oft aus zwei Ästen einfach nur zusammengelegt, der eine liegt in der Astgabelung des anderen. Meistens werden die Kreuzschenkel an ihrem Schnittpunkt irgendwie fixiert, zusammengebunden, geklebt, gesteckt. Dafür werden Schnürsenkel, Grashalme, Blumen, Bindfaden, Draht und Leukoplast verwendet.
Oder ein kleiner Ast wird gespalten und durch den Schlitz ein zweiter hindurch gezogen. Manche Kreuzgestecke sind kleiner als ein Handteller und mit Poesie gemacht: über Kreuz gelegtes weiches Tannengrün, gebunden von blauen Glockenblumen. Einige aus hellem Holz perfekt gezimmerte Kreuze hatten Wallfahrer vorher bei einem Mann in Pommern bestellt. Sie fallen auf, denn Tradition ist, die Kreuzchen unterwegs auf dem Kultgang zu fertigen.
(Lehmann-Brauns, Elke - Himmel, Hölle, Pest und Wölfe: Basaltlava-Kreuze der Eifel, Köln 1986, S.151-152)

Denkmale mit Bezug darauf:
Pürgen (BY)

Kürrenberg (RLP)




 weiterführende Literatur und Quellen 




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Sühnekreuze & Mordsteine