Der Kreuzstein
Hermann Löns
Es steht ein Stein am Wege,
Ein alter, grauer Stein;
Es grub in ihn der Steinmetz
Kreuz und Beil hinein.
Als Untatsangedenken
Er dort am Wege steht;
So meldet die Bauernkunde,
Die von dem Steine geht.
Keiner wurde vergessen,
Jedem ward sein Teil;
Ein Kreuz bekam der eine,
Der andere das Beil.
Das alte Kreuz
Martha Köber, Erfurt (1957)
Am alten Heerweg steht ein altes Kreuz
grau übersponnen, halb vergessen fast
Das Leben geht längst and're Wege heute,
kein Fuhrmann nutzt jetzt mehr den Ort zur Rast.
Einsam und traurig, halb geneigt zur Erde,
bist Zeuge du heut' längst vergang'ner Zeit.
Der Hirt nur treibt am Rain die bunte Herde,
und Korn und Klee reift ringsum weit und breit.
Der Sühneauftrag ist Dir längst entgangen,
die Sage nur spinnt dir ein seltsam' Kleid.
Heut' ist's an uns, um dich zu bangen
uns sichern im Bestand für alle Zeit.
Das Sühnekreuz
Max Hellmich (1923)
Wo der Mordstahl jäh und ruchlos
Frisches Leben macht' erbleichen,
Stellt' der Täter einst als Sühne
Reuig auf des Kreuzes Zeichen.
Dunkel geht im Volk die Sage
Von dem Toten, längst verschollen,
Dessen Seele fromme Bitten
Ew'ge Ruhe schaffen sollen.
Und wo damals trank die Erde
Blut, durch frev'le Tat vergossen,
Um das Kreuz, das altersgraue,
Heute üpp'ge Blumen sprossen.
ohne Titel
Martin Greif
Am schwindelnden Hang der Straße
Steht einsam ein starrer Block.
Umwuchert von wilden Farren
Erhebt sich der Marterstock.
Sein Täflein bezeichnet die Stelle,
Da starb ein Menschenkind.
Wohl ist es schon fast verfärbet
Von all dem Regen und Wind.
Doch der es am Weg erblicket,
Hält an zu kurzer Ruh
Und betet davor in Stille.
Dann wandert er wieder zu.
ohne Titel
Fritz Klinger
Alte Kreuze steh'n am Rein,
künden, was gescheh'n;
doch der Wanderer zieht vorbei,
kann sie nicht versteh'n.
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Steinkreuz am Weg
Carlheinz Gräter (1999)
Ungefüg, lapidar
setzt es ein Zeichen der
Dauer und bleibt doch
vergänglicher als das
flüchtige Gras …
Zerstört beim Straßenbau …
Als Trittstein zerschlagen
in einer Weinbergmauer …
Nach Flurbereinigung
verschwunden …
Von der Sage gebannt
die Ballade um
Sühne und Schuld,
spricht der Stein,
wortlos und grau,
zu dem, der
ihn hört.
Steinkreuze
nach H.B.
Vom Waldesrand ein Steinkreuz ragt,
Vom Sturm geneigt, vom Wetter zernagt;
Schon manch' Jahrhundert wohl es steht,
Dornbusch-umrankt, epheu-umweht.
Längst wob die Sage ihrbuntes Kleid
Um den Stein und fabelt von alter Zeit.
ohne Titel
Josef Weinheber
Zerfallner Stock, blasses Bild.
Christ und unsere Jungfrau mild.
Geh' nicht vorbei!
Rück den Hut!
Bet ein wenig!
Das ist gut!
Kreuz am Weg.
Rudolf Baumbach (1878)
Am Wege steht gerichtet
Ein steinernes Todtenmal;
Der Regen hat vernichtet
Den Namen und die Zahl.
Doch weisse Winden woben
Ein Kränzein um den Stein,
Das speist der Himmel droben
Mit Regen und Sonnenschein.
Hier ward, bedeckt mit Wunden,
Gefällt von Mörderhand,
Ein fremder Mann gefunden
Auf blutgetränktem Sand.
Mitleidige Menschen scharrten
In’s Grab den kalten Leib,
Daheim vergeblich harrten
Des Todten Mutter und Weib.
Leis weinte die Mutter, die alte,
Laut jammerten Weib und Kind.
Ihr Klageruf verhallte,
Doch hat ihn gehört der Wind.
Von einer weissen Winde,
Im Gärtlein stil gereift,
Hat leise er und linde
Ein Saamenkorn gestreift.
Das trug er auf dem Flügel
Rasch über Strom und Land
Und legt’ es auf dem Hügel
Des Todten in den Sand.
Der Saame ist aufgegangen,
Die Winde klomm zur Höh’,
Sie hält das Kreuz umfangen
Und ruft zum Himmel Weh.
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