Kreuz und Bildstock müssen als zwei verschiedene Stilformen des gleichen Denkmals betrachtet werden. Es mag kurz
dargetan werden, in welcher Weise der Übergang vom Steinkreuz zum Bildstock erfolgte. Das plumpe, wenig vorstellende niedere Kreuz war verdrängt worden durch das schlankere hohe.
Verzierungen verfeinerten auch dies. Daneben aber strebte man weiter, suchte eine noch befriedigender Form. Man fand sie einmal, indem man das Kreuz, oder nunmehr immer häufiger das
Kruzifix nahm uns es auf einen zum Tisch sich entwickelnden Sockel erhob. Zum andern aber schlug man einen neuen Weg ein: man formte den Bildstock. Das
Eberbacher Kreuz ist ein bemerkenswertes Beispiel für den Übergang vom Kreuz zum Bildstock. Im
verzierten, mit Inschrift und Wappen versehenen hohen Kreuz finden wir bei ihm die Bildnische. Halb Kreuz, halb Bildstock. Nahe lag es dann, auf die schweren Kreuzarme zu verzichten,
und die älteste Form des Bildstocks war gegeben: eine kräftige Steinsäule, die oben eine Bildnische trug. Weitere Möglichkeiten künstlerischer Ausgestaltung erschloß die neue Form.
Darstellungen mannigfacher Art finden ihren Platz in der Bildnische, der Schaft des Bildstockes bot Raum für reichen bildhauerischen Schmuck. Das Kreuz schwand bei der neuen Form
zu kleinstem Ausmaße zusammen, es sank herab zu einer Zierat des Bildstockes, diesen meist als Aufsatz krönend. Aber in der Beharrlichkeit mit der es immer wiederkehrt,
liegt ein Beweis für den engen Zusammenhang zwischen Steinkreuz und Bildstock. Der älteste datierte Bildstock der Gegend steht in Breitenbach, Bezirksamt Miltenberg.
Er ist von 1483. Von da an wird er immer häufiger, das Steinkreuz aber seltener. Der Bildstock ist geschwätziger als das Kreuz, immer zahlreicher und länger werden die Inschriften.
Doch ist auch die alte Sitte, die Art von Flurdenkmalen mit Zeichen zu versehen, in der ersten Zeit des Bildstockes noch nicht ausgestorben, wenn sie auch nur vereinzelt
in Erscheinung tritt. [...]
(Walter, Max - Vom Steinkreuz zum Bildstock, 1923, S.35)
Der Ausdruck "Bildstock" ist wohl bekannter, seine
Verwendung jedoch unbestimmter und vornehmlich auf das Schrifttum beschränkt. Vom Volke wird er nur in gewissen Gegenden der Alpenländer und dort nur in der
Diminutivform. "Bildstöckerle" oder kurz "Stöckl" gebraucht. Beim Landvolk in Niederösterreich z.B. ist der Ausdruck ganz unbekannt, und wenn ich auf dem Lande nach
einem "Bildstock" fragte, sah man mich meist verständnislos an, bis es sich nach einigen Erklärungen herausstellte, daß ich ja das "Kreuz" meinte. Die Bezeichnung
auf dem Lande ist fast immer "das Kreuz" oder die "(Kreuz-)Säule", der gewöhnlich ein zweites Wort als nähere Bestimmung vorangeht. Die nähere Bezeichnung erfolgt
entweder auf Grund äußerer Kennzeichen, wie Schöne Säule, Glinzende Säule, Rotes, Schwarzes, Weißes Kreuz, Hochkreuz, Kugelkreuz, Wampertes Kreuz, oder
nach dem äußeren Zustand, wie Hängendes Kreuz. Oft gibt der Erbauer oder Stifter seinen Namen her, wie in Daringersäule, Eichingerkreuz, oder der Besitzer des
Grundes, auf dem sie stehen, oder auch der Heilige, den die Säule trägt: Josefskreuz, Annasäule, Felixkreuz, Schutzengelkreuz etc. Andere wieder sind nach den
unmittelbaren Ursachen benannt, die zu ihrer Errichtung führten, wie Pest-, Türken-, Schwedenkreuz etc., oder nach dem Ort, an dem sie stehen: Wegkreuz,
Halbenwegkreuz, Triftkreuz, Galgenkreuz (in der Nähe des ehemaligen Richtplatzes). Schließlich treffen wir noch auf Namen, die nicht mehr recht erklärlich sind:
Bürzelkreuz, Leberkreuz u.a.m.
In früherer Zeit gebrauchte man neben den Ausdrücken Kreuz und Säule noch das Wort "Marter", das jedoch bereits im Verschwinden
begriffen ist. Vom lateinischen "Martyrium" herstammend, bezeichnete das Wort ursprünglich die Kreuzigungsdarstellung allein (man verlangte in den alten Sühneverträgen
u.a. auch "ein Steinkreuz mit unseres Herrn Marter" oder "eyn crewcze mit einer Marter"), übertrug sich jedoch bald auf die Säule selbst. Das Wort wird, wie gesagt, nur
mehr selten gebraucht, dagegen ist uns seine Verkleinerungsform, "Das Marterl", geblieben. Von der Stadtbevölkerung wird es unterschiedslos für jedes bildstockartige
Andachtsmal verwendet, doch stellt es nur jene Unterart des Bildstockes dar, die, zur Erinnerung an einen Unglücksfall aus Holz errichtet (manchmal ist es nur eine an
einem Baum angebrachte Holztafel), den Hergang des Unfalles in einem Bild mit Inschrift schildert. Bekanntlich sind es besonders die Alpenländer, welche diese Art des
Bildstockes aufweisen. Von der Bauernbevölkerung hört man in selteneren Fällen für Bildstock noch den Ausdruck "Kapelle", was wahrscheinlich darauf zurückzuführen
ist, daß der obere Teil der sogenannten Tabernakelbildstöcke (die bei uns sehr häufig sind) einer kleinen Kapelle ähnlich sieht. Wie wir noch sehen werden, nähert sich
die Gestalt des Bildstockes manchmal der Kapellenform, was ebenfalls zur Verwendung dieses Ausdruckes für den Bildstock beitragen mag. Als allgemeine Bezeichnung
trifft man noch auf die Ausdrücke: Feld-, Weg- oder Flurkreuz.
Im nachfolgenden werden wir den Ausdruck Bildstock als Sammelbegriff in dem Sinne gebrauchen, der ihm durch seine wörtliche Ausdeutung
zukommt. Wörtlich genommen ist der Bildstock (die Bildsäule) ein Pfeiler (Säule) aus Stein oder Holz, zur Aufnahme eines Bildes religiösen Inhaltes bestimmt, wobei wir
unter Bild schlechterdings auch Relief- und Figuraldarstellungen verstehen müssen. In seinem weitesten Sinne umfaßt er daher auch die monumentalen Hochsäulen der
Gotik und des Barocks.
Es gibt kaum einen Ort, der nicht zur Aufstellung eines Bildstockes als geeignet angesehen wurde, und so finden wir ihn tatsächlich überall. In
Städten, Dörfern, auf offenem Felde und in den Bergen (Wetterkreuz). Im Burgenland sogar im Innern von Kirchen. Selbst in Hauserwänden sehen wir den Bildstock
eingelassen, jedoch wurde er in diesen Fällen nicht, wie man meinen sollte, an das Haus, sondern meist umgekehrt das Haus an ihn angebaut. Der Bildstock ist ja
gewöhnlich das Ältere von beiden, und bei der großen Scheu, die man stets davor empfand, einen Bildstock abzubrechen oder auch nur zu versetzen (dies galt als Frevel),
half man, sich dadurch, daß man das Haus an den am Straßenrand stehenden Bildstock einfach anbaute.
Größere Säulen, wie die monumentalen Pestsäulen, finden ihren Aufstellungsort meist auf dem Markt- oder Hauptplatz, während die kleineren
sich am Ortsrand verteilen oder weiter draußen in den Feldern, am häufigsten an Wegkreuzungen oder Wegrainen zu finden sind. Die sogenannten Waldandachten, kleine
Betstellen im Walde, bestehen zumeist aus einem oder mehreren Heiligenbildern, die, von einem schützenden Holzrahmen umgeben, in einer kleinen Waldlichtung an
einem Baume angebracht werden.
Die Häufigkeit der Bildstöcke in einer Gegend steht vor allem im Verhältnis zur Bevölkerungsdichte und auch zur Wohlhabenheit der Gegend. In
der dichter besiedelten Ebene sind sie zahlreicher als in den gebirgigen Teilen des Landes. Von Einfluß ist auch die religiöse Einstellung der Bewohner. Wo der
Protestantismus festeren Fuß gefaßt hat, wie z.B. im südlichen Burgenland, werden sie selten, während sie am häufigsten in der Umgebung von Klöstern und
Wallfahrtsorten auftreten, wo sie als fromme Stiftungen errichtet wurden. So sollen in der engeren Umgebung von Loreto im Burgenland allein 44 Bildstöcke gestanden
haben, von denen sich noch eine große Zahl bis zum heutigen Tag erhalten hat.
(Hula, Franz - Die Bildstöcke, Lichtsäulen und Totenleuchten Österreichs, 1948, S.16-18)
Sicher ist an gegenseitige Beeinflussung zwischen Steinkreuz und Bildstock zu denken, aber eine Herleitung
der einen aus der anderen Form erscheint kaum möglich.
(Losch, Bernhard - Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968, S.43)
[...] Macht man sich - im Anschluß an Max Walter - philologisch
genauer kundig, so bezeugt das Grimmsche Wörterbuch als Grundbedeutung des Wortes "Stock" die folgende: "der in der erde stehen gebliebene stumpf eines baumes
mitsamt den wurzeln". Entsprechend war einst die Formel "Stock und Stein" ein Ausdruck für die noch nicht gerodete Waldlandschaft". Bewegliche "Stöcke" meinten
später solche aller Art, aber überwiegend aus Holz gehauene Objekte, so den Brunnenstock, Opferstock, Totenstock (Baumsarg), Gefangenenstock und eben auch den
Bildstock. Dem von den Grimms gebrachten Erstbeleg für "Bildstock" (von 1512) fehlt zwar eine charakterisierende Materialangabe. Aber noch im 17. Jahrhundert konnte
Grimmelshausen - wiederum dem Grimmschen Wörterbuch zufolge - ganz selbstverständlich das Bonmot prägen: "der galgen und der bildstock sind ja einerlei holzes".
Damals gab es zwar längst auch schon den Steinbildstock. Doch berührt dies nicht die ursprüngliche Identität von Wort und Sache, mit der zu unterstreichen ist, daß der
hölzerne Bildstock dem steinernen vorausgegangen sein muß. Erst sekundär wurden dann offenbar auch funktional und formal verwandte Steinsetzungen als "Bildstock"
oder (seltener) als "Heiligenstock" bezeichnet, bis mit zunehmender Verallgemeinerung des Begriffes schließlich fast jedes religiöse Flurdenkmal "Bildstock" heißen
konnte, in Mittel- und Oberfranken selbst das Kapellchen oder Heiligenhäuschen. [...]
[...] Die hölzernen und steinernen Nischenstöcke erscheinen, wie wir gesehen haben, in formaler Übereinstimmung der ältesten fränkischen Bildstock-Tradition
verpflichtet. Und analog zu ihrer Typengleichheit ist anzunehmen, daß sie von Stiftern gleicher sozialer Stellung (Bauern, Handwerker) zum gleichen Zweck errichtet
wurden: um den Segen Gottes und der Heiligen herabzubitten oder für erfahrene Gnaden zu danken; seltener wohl, um an einen Todesfall zu erinnern (da es hierfür das
Steinkreuz gab). Der haltbare Stein bot den Vorteil, die religiösen Anliegen quasi "verewigt" ausdrücken und das Heil, das der Bildstock seiner Umgebung (Haus und
Hof, Weg und Flur) vermittelte, dauerhaft erwirken zu können. Und dies war wohl einer der Gründe für den Übergang zu steinernen Mälern. Bis ins letzte Viertel des
16. Jahrhunderts blieben Steinbildstöcke in Odenwald und Bauland allerdings noch relativ selten. Dominant dürfte bis dahin der Holzstock geblieben sein, der immerhin
auch ein Alter von ca. 70 Jahren zu erreichen vermochte. Mit dieser zeitlichen "Faustregel" ist zu rechnen, geht man von verschiedenen Holzkreuzen aus, zu deren
Lebensdauer genaueres überliefert ist.
Auch konnte der Holzbildstock selbst verfertigt oder gegen geringes Geld beim Zimmermann in Auftrag gegeben werden. Das Steindenkmal fiel hingegen in die
Kompetenz des Steinmetzen und verursachte höhere Kosten. Dies freilich bot andererseits dem Stifter die Möglichkeit, sich mit einem Steinmal auch als besonders
opferwillig auszeichnen oder als wohlhabend darstellen zu können. Mit der Bestellung aufwendiger Bildhauerarbeit ließ sich diese Möglichkeit noch steigern, und wir
möchten behaupten, daß ab dem 16. Jahrhundert die Übernahme immer neuer Bildstocktypen nicht nur in formfreudiger oder religiös motivierter Anpassung an die
Stiltrends des gesamtfränkischen Bildstockwesens geschah, sondern stets auch im Hinblick auf den distinktiven Wert des Neuen und Teuren. Für die Zeit davor aber
kann gelten: Schon die Wahl von Holz oder Stein ließ je verschiedene Rückschlüsse auf den Stifter eines Bildstocks zu. Und man möchte annehmen, daß darauf
bezogene Überlegungen das Aufkommen der Steinmäler mitbewirkten und bereits mit den steinernen Nischenstöcken die Tendenz einsetzte, den Bildstock zugleich für
die Gewinnung sozialen Ansehens zu nutzen.
Entsprechenden Bedürfnissen diente dann insbesondere auch die "Personalisierung" der Denkmäler, die ab dem frühen 16. Jahrhundert durch das Anbringen von
Zeichen und Inschriften erfolgte. Für solche Zutaten war der dauerhafte Stein - ein weiterer Vorzug - mehr geeignet als das unbeständige Holz. Zunächst sind in Analogie
zum Steinkreuz offenbar nur Handwerkszeichen oder Symbole für den bäuerlichen Stand des Stifters (vgl. den Pflug auf dem genannten Weilbacher Nischenstock)
eingemeißelt worden. Aber auf einem Höpfinger Bildstock von 1519 erscheint auch schon der Stiftername mit Jahreszahl, und ab dem letzten Viertel des Jahrhunderts
wurde es immer öfter üblich, den Stifter oder das Stifterpaar (Walldürn 1572) zu nennen, diese Nennung zu einer längeren Inschrift zu erweitern (ebenfalls Walldürn 1572,
Wettersdorf 1574 usw.) und zusätzlich bisweilen Familien- und Berufswappen anzubringen (Walldürn 1562,1582 und 1586, Amorbach 1575). Verbunden mit der
Innovierung des moderneren "Häuschenbildstocks" (mit Kopfteil, Satteldach und Nischenrelief) ging diese Entwicklung offenbar maßgeblich von den kleinen Städten und
deren Bürger- und Beamtentum aus. Sie setzte einen gewissen Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung und tüchtige Steinmetzen voraus, bei den Stiftern auch Offenheit
für den Geist der Renaissance, der die Rückbesinnung auf den Wert des Individuellen und Persönlichen förderte, und schließlich die Bereitschaft, den zeittypischen
Tendenzen der weltlichen und kirchlichen Epigraphik auch beim Bildstock zu folgen. Diesbezüglich ist an besitzerstolze Haus-Inschriften und selbstbewußte
Epitaph-Betextungen zu denken: Vorbilder, die die Verschriftlichung des Bildstocks gewiß mitbeeinflußt haben. Man kann dies mit der Beobachtung unterstreichen, daß
den Grabdenkmälern offenbar auch Textformeln entlehnt und die ersten Darstellungen kniender Votanten zu Füßen des Nischenkreuzes (so auf einem Amorbacher
Bildstock von 1584) abgesehen wurden. [...]
[...] Die Mitteilsamkeit der Bildstöcke brach im 30jährigen Krieg indessen ab, wie überhaupt die Bildstocksetzungen in den Kriegs- und folgenden Notjahren stark
zurückgingen. Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts der Bildstockbrauch wiederauflebte und ab 1700 rasch seine barocke Hochblüte erreichte, erneuerten sich die
ausführlichen Beschriftungen nur noch sporadisch mit Bezeugungen besonders unglücklicher Todesfälle. Im allgemeinen begnügte man sich mit kurzen formelhaften
Inschriften, deren häufigste lautete: "GOTT ZU LOB UND EHREN HABEN DIESEN BILDSTOCK AUFRICHTEN LASSEN ..." (Namen, Jahreszahl). Durch gängig erhalten
blieb dabei die Namensnennung der Stifter. Und in sich anbietenden Fällen wurde auch wieder ausgiebig von Titel-Angaben Gebrauch gemacht, so daß man erfährt, daß
der Votant der "ehrsam ... schultes zu Beucha" (Beuchen 1698) oder "deß gerichts Alt senior, centschöpf und Bürgermeister" (Mudau 1755) war, eine Stiftergruppe
"EHRSAM HERN DES GERICHT(S)" (Heppdiel 1751). Stifter ohne Amt ließen sich wenigstens gerne als "ehrsam"' oder "ehrbar" bezeichnen und heischten so das
Ansehen ihrer Mitwelt. Denn "ehrsam" war ein gesellschaftlich hebendes Eigenschaftswort, das im 17. Jahrhundert aufgekommen war und mit entsprechender Bedeutung
auch in Rechtsquellen Eingang fand. Seltener kommen hingegen Berufsbezeichnungen (wie Wirt, Müller, Metzger) vor. Stattdessen weisen öfter Berufswappen auf das
Gewerbe der Stifter hin. [...]
(Assion, Peter - Bildstocktypik und soziales Zeichensystem, in: Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften, V.Band, 1992, S.449-474)